05. Woche - NGC 1977: Offener Sternhaufen, HII-Region oder Reflexionsnebel?

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Das helle Nebelgebiet nördlich des Großen Orionnebels M 42 ist als Standardmotiv beliebt, weil diese Himmelsregion sehr farbenprächtige Details zeigt, auch schon auf relativ kurz belichteten Aufnahmen. Abgesehen von M 43 gibt es den Nebel NGC 1977 und sein Umfeld. Das heutige AdW zu diesem schönen Deep-Sky-Objekt schickte VdS-Fachgruppenmitglied Thomas Wahl. Das verwendete Teleskop - ein 14-Zoll-Newton (Selbstbau) mit 2-Zoll-Reducer von ASA - hat 350 mm Öffnung und 1170 mm Brennweite. Dazu wird derzeit eine CMOS-Kamera ZWO ASI183mm PRO eingesetzt nebst Filtern von Baader: ein Hα-Filter von 7 nm HWB und RGB-Filter. Aufnahmeort war Oer-Erkenschwick, eine Stadt nahe Recklinghausen am nördlichen Rand des Ruhrgebiets. Die Belichtungsserien erfolgten in zwei Etappen. Hα wurde bereits 16 x 10 min vor zwei Jahren am 07.02.2020 belichtet, RGB dann jeweils 8 x 5 min am 26.12.2022. Das Bildfeld misst 37' x 24,4' und zeigt Norden oben, Osten links.
Zum Aufnahmeobjekt jetzt ins AdW! Es zeigt sich eine sehr gemischte Zone mit abwechselnd hellen, verschiedenfarbigen Reflexionsnebeln, dazu passend die beleuchtenden jungen Sterne. Die Nebel liegen räumlich gesehen gestaffelt: blaue Nebelanteile scheinen um die drei hellen Sterne mehr im Vordergrund zu stehen. Mehr im Hintergrund ist im Zentralgebiet ein rotes Leuchten zu sehen - höchstwahrscheinlich eine Hα-Emission, denn die Belichtung durch den Hα-Filter lässt ja andere helle Bereiche eindeutig nicht als rot zur Geltung kommen. Was haben wir da eigentlich vor uns? Das Zusatzbild zeigt NGC 1977 und die umgebenden Objekte. NGC selbst wird in der Datenbank Simbad als "offener Sternhaufen" bezeichnet. Der NGC/IC von Wolfgang Steinicke ist stets eine vorzügliche Quelle, dort wird NGC 1977 als offener Sternhaufen plus Reflexionsnebel charakterisiert. Was aber ist mit dem roten Hα-Leuchten? Ist der Objekttyp von NGC 1977 nicht auch zumindest zum Teil als HII-Region zu bewerten? Das gesamte im AdW gezeigte Gebiet war schon 1955 den russischen Astronomen V.F. Gaze und G.A. Shajn am Simeis-Observatorium auf der Krim als Emissionsnebel aufgefallen, so jedenfalls der Titel ihrer Publikation. Sie nahmen den Nebel als Nr. 67 in ihren Katalog der Emissionsnebel von 1955 auf, daher die heutige Simbad-Bezeichnung [GS55] 67. Simbad nennt aber nur "interstellare Materie". Eine klare Auskunft gibt schließlich Galaxy Map. Hier wird NGC 1977, leider mit einem wenig geeigneten Astrofoto, als HII-Region Sh2-279 bezeichnet. Steward Sharpless gibt für sein Objekt Nr. 279 eine Ausdehnung von 20' an. Das passt in guter Übereinstimmung zum heutigen AdW. Wer sorgt für die Anregung der Emission? Es ist der junge Stern 42 Ori = BD-04°1185 = HD 37018 bei den Pixelkoordinaten (3080/1985). Sein Spektraltyp B1 reicht hinsichtlich der Energie (Temperatur) aus, um kleine HII-Regionen als Strömgren-Kugeln zu erzeugen.
Einen auffälligen Gegensatz zu der rot leuchtenden Zentralzone bildet der unregelmäßig zerklüftete Nebelbereich südlich der blauen Reflexionsanteile. Dieser Nebelbereich ist bräunlich aufgehellt, so wie es beispielsweise beim galaktischen Zirrus oder anderen schwachen Hintergrundnebeln der Fall ist. Hier liegt offensichtlich keine Hα-Emission vor. Markanteste Stelle ist ein dunkler Staubkeil, der in die blaue Nebelzone hineinragt. Wer genau hinschaut, entdeckt hier eine klare Stoßfront, die beide Nebelbereiche dynamisch voneinander trennt.
Zum gezeigten Bildausschnitt gehören noch: (a) NGC 1973 mit dem 6,9 mag hellen B3-Zentralstern HD 36958 und (b) NGC 1975 mit einer kleinen dreiteiligen Sternenkette im Zentrum. Der hellste dieser Sterne hat den Spektraltyp A, d.h. beide Nebel sind ohne jeglichen Anteil von Hα-Emission, und stellen daher blaue Reflexionsnebel dar.
Anmerkungen: Und wieder einmal muss betont werden, dass Thomas Wahl aus Oer-Erkenschwick heraus seine Astrofotografie betreibt - also unter den typischen ungünstigen Bedingungen des nördlichen Ruhrgebiets. Das gezeigte AdW gefällt und demonstriert, dass der Bildautor sich intensiv nicht nur mit der Bildbearbeitung befasst, sondern auch mit dem realen Erscheinungsbild des gezeigten Objekts.
Vielen Dank für das gelungene Bild. Und darüber hinaus gratuliert das AdW-Team ganz herzlich zum Astrofoto der Woche!
Peter Riepe
Bildautor: Thomas Wahl
Koordinaten (J2000.0) des Sterns 42 Orionis in NGC 1977:
RA = 05 h 35 min 23,2 s, Dec = -04° 50' 18"
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