16. Woche - Polarlichtbogen über der norwegischen Insel Senja

In Zeiten der „ruhigen“ Sonne (wir befinden uns zurzeit in der Minimums-Phase der Sonnenaktivität) sind Polarlichter in unseren mittleren Breiten eher nicht zu anzutreffen. Dafür muss man schon in die Gegend des südlichen oder nördlichen Polarkreises reisen. Warum das so ist, wird später noch erklärt. Eine solche Reise unternahmen die Sternfreunde Rainer Sparenberg, Michael Hoppe und Gerhard Hilverkus im Februar 2018. Ziel war die rund 2.100 km Luftlinie von Deutschland entfernte Insel Senja in Norwegen. Sie ist die zweitgrößte Insel Norwegens und beheimatet gerade einmal ca. 7.800 Einwohner. 350 km nördlich des Polarkreises und 60 km westlich von Tromsø liegt der kleine Ort Mefjord Brygge (auf ca. 69° nördlicher Breite gelegen), wo das heutige AdW entstand.
Die vorliegende Aufnahme ist ein Panorama aus 6 Einzelbildern, welche mit einer digitalen Spiegelreflexkamera des Typs Canon 6D und einem Objektiv EF16-35mm f/4L IS USM bei 16 mm Brennweite ca. 10 s je Bild belichtet wurden. Anschließend wurden diese Einzelbilder in Photoshop CC zu einem Panoramabild zusammengesetzt und bearbeitet. Die Aufnahme erfolgte am 06.02.2018 gegen 21:15 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Aufgrund der relativ ruhigen Bedingungen war überhaupt ein zusammenhängendes Panoramabild möglich.
Die Sonne strahlt nicht nur Licht und Wärme ab, sondern auch den sogenannten „Sonnenwind“. Es handelt sich dabei um einen Strom elektrisch geladener Teilchen, in der Hauptsache Protonen (Wasserstoffionen) und Elektronen. Diese Teilchen strömen mit stark variablen Geschwindigkeiten zwischen 300 und 800 km/s radial von der Sonne in den Weltraum ab und benötigen bis zur Erde im Mittel rund 100 Stunden. Der Teilchenfluss ist gewaltig, ein 1 cm² großes Hindernis in einer Entfernung von 50.000 km zur Erde wird von mehr als 100 Millionen Teilchen getroffen. Bereits hier erfährt der Sonnenwind den Einfluss des irdischen Magnetfeldes. Beim Vorbeiströmen des Sonnenwinds an der Erde werden die Feldlinien der der Sonne abgewandten Seite mehrere Millionen Kilometer wie ein Schweif in den Weltraum gezogen. Der Sonnenwind umströmt die sogenannte Magnetosphäre wie das fließende Wasser einen im Fluss stehenden Brückenpfeiler. Genau wie wir es vom Luftwind kennen, weht der Sonnenwind nicht vollkommen stetig, sondern weist oft Windstöße und Böen auf, also Schwankungen in seiner Geschwindigkeit und Richtung, die sich auch auf die Morphologie der Polarlichter niederschlagen. Bedingt durch komplizierte elektrische Felder werden Elektronen aus einem Teilchen-Reservoir, Plasmaschicht genannt, zur Erde hin beschleunigt. Sie dringen bei hohen geografischen Breiten (65°-75° Nord oder Süd) in die Atmosphäre ein und regen sie zum Leuchten an. Die aus der Magnetosphäre eindringenden schnellen Elektronen stoßen dabei mit Luftbestandteilen zusammen. Durch diese Stöße werden die Außenelektronen der jeweiligen Luftteilchen angeregt, d.h. ihre Energie wird erhöht. Beim nachfolgenden Zurückkehren der Elektronen in den vorherigen Grundzustand (Rekombination) wird die Anregungsenergie wieder abgegeben und in Form von elektromagnetischen Wellen ausgestrahlt. Das umfasst für das Auge sichtbares Licht, aber auch infrarote und ultraviolette Wellenlängen. Bei den beteiligten Luftbestandteilen handelt es sich um Atome, Moleküle und Ionen, welche in Höhen oberhalb von 100 km vorkommen. Die jeweilige Farbe des Polarlichts hängt vom Stoßpartner ab. Sauerstoffatome z.B. strahlen im sichtbaren Bereich grünes und rotes Licht ab, Stickstoff-Moleküle überwiegend blaues und violettes Licht. Das von den Sauerstoffatomen emittierte Licht ist allerdings am stärksten, was auch der Grund ist, warum die meisten Polarlichter häufig grün und rot erscheinen. Form, Farbe und Helligkeit der Polarlichter sind unterschiedlich und lassen sich klassifizieren. Bei ruhigen oder nur wenig gestörten Bedingungen kann man innerhalb des Polarlichtovals z.B. den „ruhigen Polarlichtbogen“ beobachten, welcher den Himmel in ostwestlicher Richtung überspannt und sich manchmal mehrere 10 Minuten lang nicht verändert. Man trifft ihn meist in den Abendstunden an.
Die AdW-Aufnahme zeigt einen solchen ruhigen Polarlichtbogen. Neben dem dominanten mehrfach gegliederten Hauptbogen, der vornehmlich im grünen Licht leuchtet, erkennt man etwas nach oben versetzt noch einen zusätzlichen, sehr lichtschwachen Bogen, der im linken Bildteil u.a. durch den Doppelsternhaufen h & χ Persei verläuft und im rechten Bildteil die Deichselsterne des Großen Wagens tangiert. Das grüne Polarlicht erreicht sein Intensitätsmaximum in einer Höhe von 120-140 km, das rote Licht dagegen meist erst oberhalb von 200 km. Auf der linken Seite der Aufnahme erkennt man neben dem Band der Milchstraße im Perseus, die zunächst den Polarlichtbogen und schließlich den Horizont etwa in der Bildmitte schneidet, auch die Andromedagalaxie oberhalb des Bogens auf etwa 5:30 Uhr ausgehend von h & χ Persei (NGC 869/884). An den Flanken des Bogens sind auch einige weniger ausgeprägte Polarlichtstrahlen sichtbar. Insgesamt zeigt sich der Bogen verhältnismäßig geordnet, es sind nur einige Verwirbelungen vorhanden, ein Zeichen für eine geringere Polarlichtaktivität, welche zur aktuellen Aktivitätsphase der Sonne passt. Wie weitwinkelig das Bild ist, zeigt sich an Arcturus, der ganz rechts tief über den Bergen steht. Außerdem erkennt man auch noch am oberen Bildrand mittig den Polarstern. Faszinierend sind die farblichen Spiegelungen im Wasser des Fjords und an der Wolkenschicht am Horizont.
Wir danken Rainer Sparenberg und seinen Mitstreitern für die Teilhabe an diesem tollen Ereignis, auch wenn ein Foto das imposante Erlebnis mit eigenen Augen sicher kaum ersetzen kann.
Text zum Objekt: Jens Leich
Astrofotografen leben in einer guten Zeit. Das wurde hier schon des öfteren geschrieben, ich möchte es aber noch einmal betonen. Warum ist das so? Die Entwicklung der kommerziellen Kameras geht rasend schnell voran. Es ist noch nicht lange her, da wurde noch auf Film fotografiert. Es ist noch viel weniger lange her, da konnte man ein solches Ergebnis, wie wir es im aktuellen AdW sehen, so nicht erzielen. Die Möglichkeiten, die moderne Kameras im sogenannten Low-Light-Bereich (nächtliche Szenen, Musikclubs etc.) bieten, sind fantastisch und werden sogar immer besser. Das führt dazu, dass auch Nichtastrofotografen immer häufiger in der Dämmerung oder nachts fotografieren. Die Fotoforen sind voll von solchen Bildern. Die Kamerahersteller erkannten nun das Potenzial und entwickeln immer rauschärmere Kameras, mit immer empfindlicheren Chips samt dahinter geschalteter Elektronik. Nicht nur, weil die voranschreitende Technik dies zulässt, sondern auch weil es eben voll im Trend liegt. Auch die Objektivhersteller überbieten sich zur Zeit mit besonders „schnellen“ Objektiven (Aperturen um f/1,4) mit besonders guten Abbildungseigenschaften. Das ist z.B. für Filmer besonders interessant (DSLRs werden heute professionell fürs Filmen eingesetzt, gerade auch von nächtlichen Szenen). Es ist fast schon beachtlich, dass das vorliegende Bild nicht mit einer solch schnellen Optik gemacht wurde, sondern lediglich bei Blende 4 aufgenommen wurde.
So ist es also möglich Polarlichter mit feststehender Kamera aufzunehmen, und dabei ein relativ rauscharmes Ergebnis zu erzielen. Hier wurden insgesamt sechs Weitwinkelaufnahmen zu einem Mosaik verarbeitet. Die relativ kurzen Belichtungszeiten und die Tatsache, dass sich das Polarlicht in der Zeit der Aufnahme so gut wie nicht verändert hat, führt dazu, dass man viele Details in den Lichtbögen erkennen kann und der Hintergrund trotzdem nicht verwaschen ist, wie es bei einer nachgeführten Aufnahme zu erwarten wäre.
Auch in Punkto Bildbearbeitung geht es in Riesenschritten voran. Das Erstellen eines Mosaiks in dieser Art ist in den Softwares Adobe Lightroom und Adobe Photoshop ein Klacks, was keineswegs abwertend gemeint ist. Vielmehr ist immer dann, wenn die Technik dem Fotografen die Arbeit erleichtert, das eigene Know-How und ein Gefühl für Ästhetik immer wichtiger. So kann man Rainer Sparenberg nur beglückwünschen zu der Idee, der Bildkomposition und der geschmackvollen Ausarbeitung dieses Bildes. Wir gratulieren herzlich.
Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim
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