23. Woche - NGC 1788 – mehr als nur ein simpler Reflexionsnebel

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Bei Fragen nach Nebelregionen im Orion fallen einem meistens nur die Standardobjekte ein wie z.B. der Orionnebel M 42 mit M 43, dann am östlichen Gürtelstern der Flammennebel NGC 2024, der Pferdekopfnebel, Barnard´s Loop, vielleicht noch der Lambda-Orionis-Nebel Sh2-64 oder der Hexenkopfnebel IC 2118 (der liegt jedoch schon im Nachbarsternbild Eridanus). Aber wer kommt schon auf NGC 1788? Patrick Winkler, unser österreichischer Kollege, kam darauf. Er nahm sich das Umfeld von NGC 1788 in Namibia vor, auf der Astrofarm Tivoli. Dort steht der Orion in zenitnahen Regionen, anders als in Mitteleuropa. Am 9. und 10. Oktober 2021 setzte Patrick einen 12-Zoll-Newton von ASA ein (300 mm/1080 mm), dazu als Kamera eine ZWO ASI6200MM Pro, alles auf einer Montierung des Typs ASA DDM 85. Belichtet wurde 120 min in Luminanz und jeweils 80 min für die Filterungen in R, G und B. Die Bildfeldgröße beträgt 106' x 73', Norden ist oben, Osten links – auch am Südhimmel … ;-))
Sofort zum Bild. Das AdW zeigt den bläulichen Reflexionsnebel NGC 1788 links der Bildmitte. Sofort fällt auf, dass von dort eine längliche Wolke nach rechts (Westen) verläuft. Diese bräunliche Wolke aus Staub und molekularem Material ist katalogisiert als der Dunkelwolke LDN 1615. Aber wieso Dunkelwolke??? Das Objekt ist doch hell … Wir haben in den letzten 20 Jahren gelernt, dass Dunkelwolken nicht wirklich dunkel sind, sondern auch erhellte Reflexionsnebel darstellen. Ihre Helligkeit im Bild hängt ganz davon ab, wie lange die Aufnahme belichtet wird. Die Menge der Sterne im Bulge unserer Milchstraße sorgt für diese Aufhellung an den Staubteilchen. NGC 1788 selbst sitzt im vorderen, östlichen Kopfteil der Dunkelwolke, die hier LDN 1616 heißt. Form und Art von Nebel und Staubschleppe ähneln sehr an vdB 152, wo ebenfalls ein heller Reflexionsnebel am Kopf einer kometarischen Struktur sitzt. Das allein legt schon die Schlussfolgerung nahe, dass die Formgebung auch hier bei NGC 1788 durch Sterne außerhalb des Bildfeldes verursacht wird, die ihre Sternwinde von links her nach rechts senden, wo sie auf das interstellare Medium von NGC 1788 stoßen.
Im Jahre 1995 verfasste B. Ramesh einen Artikel: „A study of the Orion cometary cloud L1616” (Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 276, 923-932). Darin wurde radioastronomisch anhand der Emission von Kohlenmonoxid (12CO und 13CO) gefunden, dass die größte Wirkung auf das Material von NGC 1788 und LDN 1616 vom mittleren Gürtelstern ε Orionis ausgeht. Der dürfte damit dann auch für die recht starke Sternbildung im Inneren von NGC 1788 verantwortlich sein. Man sollte die Szenerie jetzt aber nicht allein auf NGC 1788 und LDN 1616 beschränken. Im Zusatzbild habe ich ein weitwinkeliges Bild um β Eridani aus dem Himmelsatlas Aladin (Bestandteil von Simbad) entnommen und ein wenig aufbereitet. Dort ist 3° südlich von NGC 1788 der Hexenkopfnebel IC 2118 zu sehen. Man erkennt unschwer, dass auch er in seiner Struktur von links eine ähnliche Formgebung durch ε Orionis mitbekommt.
Jetzt kurz etwas zur Sternentstehung. Gandolfi et al. 2008 publizierten ihren Artikel „The Star Formation in the L1615/L1616 Cometary Cloud” im Astophys. Journal 687, 1303-1322. Ihre fotometrischen Messungen (optisch und IR) ergaben, dass in NGC 1788 eine Vielzahl von T-Tauri-Sternen verborgen ist. Das sind sehr junge Veränderliche, die aufgrund ihres „Babyalters“ noch nicht einmal die stabile Hauptreihenphase des Wasserstoffbrennens erreicht haben. Einer von ihnen ist HD 293815, der blaue Stern von 10,11 mag im hellsten, blau leuchtenden Nebelmaximum. Insgesamt liegt hier das Zentrum eines jungen Sternhaufens, dessen Einzelsterne in der dichten Nebelmaterie stecken. In infraroten Wellenlängen tritt der Sternhaufen aber deutlich hervor. Somit wird in NGC 1788 eine aktive Sternentstehung durch die massiven Sterne um ε Orionis angestoßen. Schaut man an den unteren Bereich des AdWs, so entdeckt man eine kleinere, ähnliche Wolke, die parallel zu LDN 1615 verläuft, also auch vom selben Sternwind geformt wird. Diese Wolke ist deutlich heller als LDN 1615 und wurde daher von Beverly T. Lynds in ihrem Kalatlog heller Nebel als LBN 923 aufgenommen. Zwischen LDN 1615 und LBN 923 verläuft westlich eine deutliche, zusammenhängende Verbindungszone, die im Zusatzbild weiter über LBN 923 nach Süden gerichtet ist und ähnliche dynamische Verformungen aufweist.
Anmerkungen: Die Ausarbeitung dieses schönen AdWs ist rundherum gelungen. Die Sternfarben von Blau bis Gelborange stimmen (es ist ja auch ein LRGB-Bild). Allein eine Kleinigkeit soll erwähnt werden: LBN 923 ist leider angeschnitten. Wie das Zusatzbild zeigt, hätte das Bildfeld ein klein wenig weiter nach Süden verschoben werden können ohne den blauen Stern oben im Bild abzuschneiden, dann wäre LBN 923 besser im Bild positioniert. Dazu der Tipp: Für Astrofotografen ist es durchaus hilfreich, sich vor der Aufnahme bei den Vorbereitungen einmal näher mit Aladin zu befassen.
Ein sehr informatives und überzeugendes Bild! Dafür vielen Dank. Und natürlich die Gratulation des AdW-Teams zum Astrofoto der Woche.
Peter Riepe
Bildautor: Patrick Winkler
Koordinaten von NGC 1788 (J2000):
RA = 05 h 06 min 54 s, DE = -03° 20' 30"
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