24. Woche - Leuchtende Nachtwolken über der Ostsee

Im Frühsommer treten weit nach Sonnenuntergang leuchtende, irisierende Wolken in nördlichen bis nordwestlichen Himmelsrichtungen auf. Diese "Leuchtenden Nachtwolken" (LNW oder NLC = noctlucent clouds) hat Fachgruppenmitglied Rainer Sparenberg in seinem Urlaub sehr schön über der Ostsee fotografieren können. Sein Beobachtungsort war die Halbinsel Zingst. Auf dem Fotostativ saß eine spiegellose Canon EOS R5 mit einem Sigma-Objektiv 20mm 1:1,4 DG Art. Am 04.06.2023 wurde bei Blende 5,6 und ISO 800 eine Belichtungszeit von 10 s gewählt.
Das Bild zeigt einen Steg, der in nördlicher Richtung in die Ostsee hineinläuft. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war die Meeresoberfläche sehr ruhig ohne Wellen oder gar Brandung. Außerdem merkt der Bildautor an: "Durch die relativ lange Belichtungszeit ebnet sich die Ostsee noch zusätzlich." Am Horizont erkennt man eine Lichterkette. Das ist aber keineswegs die Küstenlinie der dänischen Inseln. Vielmehr blicken wir hier auf die Offshore-Windparkanlage ENBW Baltic 1 (Rainer, danke für das Info-Blatt!).
Über einem schmalen dunklen Streifen am Horizont (dort herrscht Nacht) erhebt sich eine Schichtung aus LNW, deren Färbung von bläulich weiß im Norden bis gelborange im Nordosten variiert. Diese Färbung ist dem jeweiligen Sonnenstand geschuldet. Im Nordosten ist der Himmel bereits düster, die LNW sind schwächer. Links im Bild ist noch die rötliche Zone des Sonnenuntergangs sichtbar, und dort steht unter dem Horizont die Sonne, so dass sie unter die LNW scheinen kann.
Am Himmel sind einige hellere Sterne zu sehen, so im linken Bilddrittel Capella und etwas weiter links β Aurigae. Ein wenig rechts oberhalb des hellsten LNW-Bereichs ist das Zentrum des Perseus mit Mirfak (α Persei) erkennbar. Der Polarstern, Wegweiser für die Nordrichtung, befindet sich hier weiter außerhalb der oberen Bildkante.
Um was handelt es sich eigentlich bei den LNW? Zunächst einmal ist der Begriff des Leuchtens irreführend, denn LNW sind keine atmosphärischen Leuchterscheinungen wie Polarlicht oder Airglow, die aus sich heraus leuchtende Emissionen erzeugen. Desweiteren sind LNW keine Wolken aus kondensierten Wassertröpfchen wie im Wettergeschehen der Troposphäre. Die LNW stellen Eiswolken in großen Höhen um 85 km oberhalb der Mesosphäre dar. Sie bilden sich vorzugsweise in diesem kältesten Atmosphärenbereich der Mesopause.
LNW werden auf der irdischen Nordhalbkugel vorzugsweise in der Zeit Juni-Juli sichtbar, zur Zeit der Sonnenwende nach Sonnenuntergang oder vor Sonnenaufgang, wenn die Sonne zwischen 6° und 16° unter dem Horizont steht. Dann nämlich kann die Sonne noch die Unterseite der LNW anleuchten. Die LNW reflektieren also das Sonnenlicht, während der Himmel sonst bereits fast schon oder noch dunkel ist. Aufgrund der Eispartikel der Wolken ist das reflektierte Licht vielfach stark weiß bis bläulich. Oft ist die Struktur faserig, ziemlich ähnlich dem Cirrusnebel im Schwan. Nicht selten treten streifige oder girlandenartige Muster auf, üblicherweise lassen sich auch wellenförmige Bewegungen beobachten.
Anmerkung: Der Bildautor ist für seine abendlichen und nächtlichen Landschaftsmotive mit astronomischem Bezug in unserer AdW-Runde bestens bekannt. Noch im AdW 10-2023 konnten wir eine ähnlich strukturierte Aufnahme bewundern. Dort war es ein Weg, der schnurstracks vom Vorder- zum Mittelgrund auf einen Leuchtturm zulief. Hier ist es ein Steg, der ebenfalls vom Vorder- zum Mittelgrund ins Meer hinausläuft - ein gut gewähltes Stilmittel. Gut gewählt ist offensichtlich auch der Aufnahmezeitpunkt, denn hier treten die Farben stark und kontrastreich in Erscheinung.
Das AdW-Team dankt Rainer Sparenberg für dieses wundervolle Motiv und gratuliert herzlich zum Astrofoto der Woche!
Peter Riepe
Bildautor: Rainer Sparenberg
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