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25. Woche - Der Kugelsternhaufen Messier 12

| Astrofoto der Woche

Kugelsternhaufen für den Astrofotografen? Das ist so wie mit der Gemüsesuppe: Die meisten mögen sie nicht so recht, na ja ... manche aber sehr! Oft sind die Kugelsternhaufen dann nur ein so genannter Beifang. So ähnlich ging es Bildautor Werner E. Celnik, Mitglied der VdS-Fachgruppe Astrofotografie. Er schreibt: „Im Frühjahr 2020 trafen zwei Dinge aufeinander: Der erste Corona-Lockdown in Deutschland und der Beginn eines astronomischen Schönwetterjahres. Laut einer Überprüfung des Beobachtungsbuches konnte ich in diesem Jahr mehr als 80 Beobachtungsnächte nutzen, ein persönlicher Rekord.
Im April 2020 stand für mich der Komet C/2019 Y4 (Atlas) am Abendhimmel im Vordergrund. Aber was mit dem Rest der Nacht bis zur Morgendämmerung anfangen? Die Nachthimmel waren zu der Zeit außergewöhnlich klar und sauber, vermutlich wegen des Fehlens von Schleierwolken, die durch Flugzeugabgase getriggert werden. Im Lockdown fiel das besonders stark auf. Da ich außerdem noch nie einen Kugelsternhaufen "so richtig" aufgenommen hatte, traute ich mich im „lichtverseuchten“ Standort Rheinberg an den tief stehenden Messier 12.
Bis zum Beginn der nautischen Dämmerung, die bei mir stets das Ende der fotografischen Beobachtung bedeutet, blieben allerdings nur etwa zwei Stunden Zeit. Bei der Wetterlage bot sich dann die Chance, mehrere Nächte zum Teil direkt hintereinander zu beobachten. Da ich stets zwei Teleskope parallel an der Montierung betreibe, kamen so in sieben Nächten 13,7 Stunden Gesamtbelichtung zustande. Das Ergebnis hat mich dann positiv überrascht.“

Zu den aufnahmetechnischen Details: Messier 12 wurde an sieben Beobachtungsnächten zwischen dem 16. und dem 26. April 2020 aufgenommen, jeweils 1,5 - 0,7 h vor Beginn der Morgendämmerung. Dazu wurden zwei Teleskope in Rheinberg am Niederrhein parallel eingesetzt, und zwar auf einer Montierung 10Micron GM2000 HPS ohne Autoguiding.
a) Takahashi Apo-Refraktor 150 mm / 1.100 mm (f/7,3), Canon 700 Da ohne Filter, Einzelbelichtungen 90 s bis 4 min bei ISO 400 bis 800, Summe dieser Belichtungen: 7,3 h.
b) Celestron 11, 280 mm / 2.800 mm (f/10), Canon 6D IR-modifiziert, Luminanz-Filter, Einzelbelichtungen 90 s bis 6 min bei ISO 800 bis 1600, eine Nacht davon ausschließlich mit 2x-Canon-Telekonverter (f/20) und Einzelbelichtungen 60 s bei ISO 3200; Summe dieser Belichtungen: 6,4 h.

Das Stacking erfolgte mit Deep Sky Stacker (DSS), die Bearbeitung und Kombination der Summenbilder der Einzelnächte mit Photoshop CC. Das gezeigte AdW hat Norden oben, Osten links, Bildfeld: 54' x 36'.

Nach dieser nachvollzogenen "Belichtungsvielfalt" nun zum Objekt selbst. Messier 12 (kurz: M 12) ist einer der typischen galaktischen Kugelsternhaufen, deren Alter im Bereich von 10 bis 12 Milliarden Jahre liegt, und die deshalb auch einander sehr ähneln. Dennoch: Jedes Exemplar ist eine Nummer für sich. Im Gegensatz zu M 13 an der nördliche Himmelskugel besitzt M 12 merklich weniger blaue Sterne. Die Antwort darauf findet man allein im Farben-Helligkeitsdiagramm (FHD, siehe Zusatzbild). Wer sich noch nie mit dem FHD befasst hat, für den jetzt hier die Interpretation der Sternmessungen im FHD von M 12:

In einem FHD ist grundsätzlich dargestellt, wie sich die fotometrierten Helligkeitsunterschiede, die Farbindizes B-V auf der x-Achse, gegen die V-Helligkeiten aller vermessenen Sterne auf der y-Achse verhalten. Das Diagramm zeigt jedoch keinerlei (!) Sternanordnungen räumlicher Art im Kugelhaufen, sondern nur wie und wo sich im Diagramm die wichtigsten Sternpopulationen abbilden und wiederfinden. Im Haufen selbst sind alle Sternarten natürlich bunt durchmischt. Die hellsten Sterne in allen Kugelsternhaufen sind generell die so genannten "Roten Riesen". Das sind leuchtkräftige alte Sterne der Spektraltypen G bis K, die das Stadium des zentralen Wasserstoffbrennens schon hinter sich haben und sich nun auf dem Weg vom Wasserstoff-Schalenbrennen zum zentralen Heliumbrennen befinden. Im FHD bilden sie den "Red Giant Branch" (RGB), den gekrümmten "Roten Riesenast". Seine Farben sind weiß bis orangerot, für M 12 entsprechend den Farbindizes B-V von 0,8 mag bis 1,6 mag, während die V-Helligkeiten der Roten Riesen in M 12 von 17,5 bis etwa 13 mag verlaufen. Die zwei hellsten Roten Riesen in M 12 sind orangerot (B-V ~ 2 mag), sie kommen auf V-Helligkeiten von 12 mag. Der Astronom spricht bei derart alten Sternen von Sternen der Population II im Gegensatz zu den jungen Sternen in den Spriralarmen der Milchtraße, die der Population I zugehörig sind. Kugelsternhaufen zeigen aber auch grundsätzlich blaue Sterne. Die sind jedoch nicht jung wie die heißen, jungen O-Sterne in Sternentstehungsgebieten, sondern heiße alte Sterne, die im Zentrum bereits Helium zu schwereren Elementen fusionieren. Im FHD sind sie vertreten im "Horizontal Branch" (HB) und insbesondere im "Blue Horizontal Branch" BHB, der aber gar nicht mehr horizontal läuft, sondern stark abknickt. Die Farbindizes der BHB-Sterne liegen für M 12 bei -0,25 bis +0,25 mag - also blau! Ihre V-Helligkeiten reichen von etwa 19 bis 15 mag. Und dann ist da noch die "Main Sequence" (MS), die sog. Hauptreihe. Im FHD von M 12 herrscht in der MS die größte Fülle an Haufensternen. Aber ihre Helligkeiten sind deutlich schwächer als die Helligkeiten RGB- und BHB-Sterne, ab 18 mag und lichtschwächer.

So, lieber Leser: Und jetzt ans Werk mit der Bildanalyse. Bitte im AdW jetzt die Roten Riesen finden, und wo sind die blauen BHB-Sterne?

Anmerkungen: Der zeitliche Aufwand hat sich - obwohl ja nur als "Beifang" geplant - wirklich gelohnt. Die Farben der Sterne treten schön hervor. Technisch ist das Bild sehr sauber, ein Autoguiding war nicht nötig bei den kurzen Einzelbelichtungen. Ein kleiner Hinweis noch: Im Südwestbereich von M 12 erkennt man sehr schön ein wechselwirkendes Galaxienpaar. Natürlich sehr klein ... Die hellere Komponente ist LEDA 11032192 = MASX J16470200-0202314, an ihr sitzt die schwächere die schwächere 2MASS J16470262-0202514. Ihre Fluchtgeschwindigkeien liegen bei 18.000 km/s. Das deutet auf eine riesige Entfernung um 800 Mio. Lichtjahre.

Lieber Werner, vielen Dank für dieses interessante und informationsreiche Beifang-Bild. Dazu die Gratulation des AdW-Teams zum Astrofoto der Woche!

Peter Riepe

Koordinaten (J2000.0) von M 12:
RA = 16 h 47 min 14,5 s, Dec = -01° 56' 52"

Bildautor: Werner E. Celnik

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