25. Woche - Messier 16 und die „Säulen der Schöpfung“

Der Sommerhimmel bietet im Schützen zahlreiche helle Deep-Sky-Objekte. Messier 16 zählt mit dazu. Schon der Blick durch einen einfachen Feldstecher zeigt: Hier liegt ein offener Sternhaufen vor. Es ist NGC 6611, der 1745 bis 1746 von Philippe Loys de Chéseaux entdeckt wurde. Dieser Sternhaufen wird von einem diffusen Nebel umgeben. Charles Messier entdeckte ihn, das war aber erst 1764. Es gibt also – wenn man so will – zwei unabhängige Entdecker dieses Objekts.
Das aktuelle AdW zeigt einen Ausschnitt aus dem südlichen Bereich von Messier 16. Die dort sichtbare Formation wird auch gern „Säulen der Schöpfung“ genannt, übernommen aus der blumigen amerikanischen Bezeichnung „pilars of creation“. Relativ bescheiden hört sich für M 16 der deutsche Name „Adlernebel“ an.
Um was handelt es sich eigentlich bei diesem Deep-Sky-Objekt? Um eine Sternentstehungsregion? Um eine Molekülwolke? Um eine H II-Region? Vielleicht um eine Infrarotquelle? Antwort: Alles das ist richtig. Der Nebel um NGC 6611 emittiert in allen möglichen diskreten Wellenlängen. Im sichtbaren Bereich wird im Wesentlichen das Balmerspektrum des ionisierten Wasserstoffs H II abgestrahlt. Daher stammt der eher nüchterne Name H II-Region. Das H II-Licht ist aber kein Rotlicht! Vielmehr ist es eine Summe verschiedener Spektrallinien und besteht aus den Linien Hα (rot, 656,3 nm Wellenlänge), Hβ (blau, 486,1 nm), Hγ (violett, 434,0 nm) und weiteren noch schwächeren Linien, die alle violett sind und im Ultraviolettbereich enden. Auch der zweifach ionisierte Sauerstoff [O III] besitzt im visuellen Spektrum der Gasnebel eine starke Emissionslinie, sogar eine blaugrüne verbotene Doppellinie bei 500,7 und 495,9 nm. Und selbst wenn es jetzt zum x-ten Male geschrieben wird: Die so genannten „verbotenen Linien“ der Gasnebel werden in eckigen Klammern geschrieben, daher [O III] und nicht O III, erst recht nicht O3. Viele Gasnebel emittieren auch das Licht des ionisierten Stickstoffs [N II]. Ja, richtig vermutet! Ebenfalls eine verbotene Doppellinie bei 654,8 und 658,4 nm. Sie fällt mit der Hα-Linie gemeinsam durch die üblichen Hα-Filter mit Halbwertbreiten über 5 nm. Viele Amateure kennen sie gar nicht, obwohl sie viel stärker als Hα sein kann! Weniger stark ist bei H II-Regionen die verbotene dunkelrote Doppellinie des Schwefels [S II] bei 671,6 und 673,1 nm. Supernovareste hingegen weisen stets starke Schwefelemissionen auf.
Frisch entstandene Sterne sind heiß. Im Falle von M 16 beherbergt der eingebettete Sternhaufen NGC 6611 die heißen, jungen Sterne. Leicht nachvollziehbar, dass seine zahlreichen Sterne des Spektraltyps O auch eine starke Infrarotstrahlung aussenden. Mit zunehmendem Alter der Sterne nimmt diese Infrarotstrahlung ab. Solange aber die Region noch jung ist, wird von den jungen Sternen auch eine Menge an ultravioletter Energie abgegeben. Schauen wir jetzt näher die bizarre Struktur im AdW an. Diese in der Astronomie so genannten „Elefantenrüssel“ erstrecken sich wie eine dreifingerige Hand markant nach Norden. Es handelt sich um reale Reste einer ehemaligen fetten Molekülwolke. Heute sind von ihr nur noch diese Elefantenrüssel übrig, aber auch das molekulare, verdunkelnde Material außerhalb des Sternhaufens, welches wir unten im Bild sehen – mit hellem Rand nach Norden zu den anregenden heißen Sternen hin. Die Molekülwolke bildete das ursprüngliche Material, aus dem die Sterne entstanden sind: neutraler Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Staub. Wie in anderen galaktischen Gasnebeln auch, so steht den Rüsseln ein schlimmes Schicksal bevor: Sie werden von der Strahlungsenergie und den Sternwinden von NGC 6611 im Laufe der Zeit arg in Mitleidenschaft gezogen und zerfetzt. Die benachbarten einzelnen Globulen belegen das. Schließlich werden sie bis zur Auflösung zerstrahlt. Aber in der Zwischenzeit sind die Rüssel auch Geburtsstätten neuer Sterne. Die Astronomen reden dann von Sternen „der zweiten Generation“. Im Infrarotbereich wurde nachgewiesen, dass in den Spitzen (die dem Sternhaufen zugewandt sind und mit hellen Rändern leuchten) ganz junge Protosterne entstanden sind, die noch gar nicht so richtig ihr ausgewogenes Wasserstoffbrennen als Hauptreihensterne aufgenommen haben.
Elmar Rixen ist neu im Kreis der AdW-Astrofotografen. Herzlich willkommen! Das Bild entstand am 19.04.2015 auf der Internationalen Amateursternwarte (IAS), Farm Hakos, Namibia. Optik war das 500-mm-Teleskop, ein Cassegrain mit dem Öffnungsverhältnis 1:3 (Apertur f/3 oder Blende 3). Für das Bild wurden Teilbelichtungen in den Filterungen [S II], Hα und [O III] angefertigt, jeweils 5 x 10 Minuten belichtet mit einer CCD-Kamera SX 814 im Primärfokus. Das hier gezeigte AdW ist nach der „Hubble-Palette“ zusammengestellt: [S II] für den Rotkanal, Hα für den Grünkanal und [O III] für den Blaukanal.
Aufnahmetechnischer Kommentar: Der Chip der SX 814 besitzt 3388 px x 2712 px, jedes Pixel ist nur 3,69 µm x 3,69 µm groß. Ein Pixel bildet am Himmel bei der genutzten Aufnahmebrennweite von 1500 mm gerade einmal 0,5“ x 0,5“ ab – ein Wert, der fast immer deutlich unter dem Seeing (der Sichtbedingung durch die Atmosphärenbewegung vor dem Teleskop) liegt. Und das Seeing war während der obigen Aufnahme schlecht, schätzungsweise waberten die Sterne um 4“ bis 6“ hin und her, die Luftschichten unterschiedlicher Temperatur und Dichte wirbelten kräftig durcheinander (Turbulenz) und halfen das Signal aus Sternen- und Nebellicht zu verschmieren.
Schade, der Schärfeeindruck des Bildes leidet natürlich darunter. Allerdings fällt es sicher jedem schwer, während einer begrenzten Beobachtungszeit, wie hier in Namibia, vielleicht auch noch bei einer teuer erkaufter Teleskopzeit das Instrument bei schlechtem Seeing ungenutzt in der Ecke stehen zu lassen und sich nur der Weitwinkelfotografie zu widmen.
Koordinaten J2000.0:
RA = 18 h 18.8 min, DEK = -13° 47’
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