26. Woche - NGC 1579 - ein Deep-Sky-Objekt in der California-Molekülwolke

Im aktuellen AdW zeigt uns die Astrokooperation Ostwestfalen Lippe ein 92' x 62' großes Sternfeld aus dem Sternbild Perseus. Norden ist oben, Osten links. In diesem Feld sitzt ein Deep-Sky-Objekt, das von vielen Beobachtern und Fotografen übersehen wird, denn für die meisten ist der California-Nebel der favorisierte Hingucker dieses Gebiets. Wer sucht schon 6° weiter ostwärts des California-Nebels nach einem Objekt mit der unauffälligen Katalognummer NGC 1579? Dabei hat dieser 20' große Nebel aufgrund seiner Besonderheiten viel mehr Beachtung verdient!
Aber zur Klärung der Objektnatur vorweg ein paar astronomische Fakten. Viele AdW-Ausgaben der letzten Zeit beweisen, dass nicht nur Sterne und helle Objekte den Deep Sky bilden, sondern dass auch staubige Dunkelwolken und Molekülkomplexe mit dazu gehören. Um diese Zusammengehörigkeit zu verstehen, sollte man bewusster in größerem Maßstab denken - think big! So ist es auch hier: Nördlich des California-Nebels zieht sich in 1500 Lj Entfernung eine riesige Molekülkwolke nach Südosten. Sie wurde erst vor wenigen Jahren in ihren gesamten Ausmaßen entdeckt und im Kohlenmonoxid nachgewiesen (Lada et al., Astrophys. J. 703, 52-59 (9/2009)). Etliche bekannte Dunkelwolken aus Staub sind mit ihr assoziiert, die Wissenschaft berichtet über eine Masse von ca. 100.000 Sonnenmassen. Unglaublich! Das Klickbild zeigt die Extinktionsverteilung aus der Originalarbeit mit den eingelagerten Lynds-Dunkelwolken (hier klicken). An der Südostflanke der Molekülwolke befindet sich NGC 1579. Offensichtlich ist der Nebel eine helle Insel im Meer des Dunkelwolkenkomplexes LDN 1482.
NGC 1579 wird in der astronomischen Datenbank SIMBAD als HII-Region bezeichnet. HII-Region? Dann müssten ja eigentlich auch blaue, junge und massereiche O-Sterne im Nebel stecken, die mit ihrer starken UV-Strahlung die Emission anregen. Solche Sterne fehlen jedoch, d.h. sie wurden bis heute noch nicht gefunden. Selbst der hellste blaue Stern im Bild (HD 28281 mit 7,4 mag ca. 11' westlich des Nebelzentrums) kommt mit seinem Spektraltyp A2 für die Ionisation des Nebels nicht in Frage. Er steht auch viel zu weit abseits. Wenn überhaupt, dann sollten die anregenden Sterne im Nebelinneren stecken, für uns optisch kaum sichtbar und wegen der Nebelmaterie farbverfälscht. Die Infrarot-Astronomie hat hier mehr Klarheit gebracht. Zentral gelegen ist der Infrarotstern LkHα 101. Weitere IR-Sterne wurden in NGC 1579 entdeckt. Alle zusammen bilden einen jungen IR-Sternhaufen mit etwa 100 Mitgliedern. Das Haufenalter wird auf "junge" 500.000 Jahre geschätzt (Herbig et al., Astr. J. 128, 1233-1253 (9/2004)). LkHα 101 als hellster Stern des Haufens ist ein sehr heißer, eindeutiger Hα-Emitter. Er könnte, wie Radiobeobachtungen aus den 1980er Jahren nahelegen, von einer kleinen HII-Region umgeben sein. Für OB-Sterne typische Spektrallinien wurden aber in LkHα 101 nicht gefunden. Weiterhin ist das Spektrum von NGC 1579 in den hellsten Nebelbereichen mit dem Spektrum des beleuchtenden Sterns LkHα 101 identisch. Daraus eine wichtige Schlussfolgerung: Die orangerote Farbe von NGC 1579 ist nicht das Hα-Leuchten des Nebels selbst, vielmehr ergibt sich diese Nebelfarbe aus der Lichtstreuung des zentralen Hα-Sterns von innen heraus an der Nebelmaterie. Diese ist so dicht, dass im visuellen Bereich ca. 10 mag absorbiert werden. NGC 1579 eine HII-Region??? Das ist also mehr als zweifelhaft. Auch Lada et al. (siehe oben) bezeichnen NGC 1579 klar als Reflexionsnebel.
Interessant ist auch der kleine weißblaue Reflexionsnebel NGC 2067. Er sitzt 11' nordöstlich von NGC 1579. In seinem Inneren steckt der beleuchtende B8-Stern TYC 2381-482-1 mit 12,4 mag. Nach Norden und Süden fallen weitere schwach kontrastierte Dunkelwolken mit verwirbelter Struktur auf. Was das Bild auszeichnet, ist die Vielzahl und unterschiedliche Erscheinungsform der interstellaren Materie, selbst in schwächsten Strukturen. Dies ist eine Folge der extrem langen Belichtungszeit. Und zu solch einer Leistung können wir nur sagen: Chapeau!
Oliver Schneider, Mathias Straube, Andy Sischka und Michael Wenge sind die Bildautoren. Ihr Gemeinschaftsbild datiert vom 11. Mai 2017. Die Aufnahmeorte waren Leopoldshöhe bei Bielefeld und Extertal. Als Optiken wurden eingesetzt: ein 340-mm-Hypergraph mit f = 1092 mm, ein 350-mm-Astrograph mit f = 1485 mm und ein 305-mm-Astrograph mit f = 1185 mm. Als Kameras verwendeten die Autoren eine Alccd QHY 11 für die Luminanz sowie zwei Sony A7 DSLM für RGB. Die Belichtungszeit betrug insgesasmt 29,6 Stunden (!!!), wobei die Sony-Kameras auf ISO 200 und ISO 400 eingestellt waren. Dazu schreibt Oliver Schneider: "Dieses Bild ist im Rahmen unserer ´Astrokooperation Ostwestfalen Lippe´ entstanden. Wir belichten in dieser Kooperation aus zwei verschiedenen Sternwarten mit drei Optiken heraus gemeinsam. Ziel ist es, durch die Zusammenführung der Bilder eine möglichst große Tiefe zu erreichen. Dabei steht aber nicht nur das eigentliche Bild im Vordergrund, sondern auch das Drumherum von der Objektauswahl bis hin zur gemeinsamen Bildbearbeitung mit viel Spaß unter Freunden."
Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe
Erneut dürfen wir ein AdW besonders guter Qualität zeigen. Es entstand als Gruppenarbeit zwischen mehreren Astrofotografen. Hierbei wurde die Belichtungszeit auf insgesamt drei Teleskope und Kameras aufgeteilt, und auch die Bildbearbeitung erfolgte in der Gruppe. Auf diese Art und Weise sind knapp 30 h Belichtungszeit zusammen gekommen. Nur so erscheinen die äußerst schwachen Dunkelnebel als schwebende Filamente vor dem dunklen Himmelshintergrund. Das Bildergebnis täuscht leicht darüber hinweg, dass es sich hier um ein sehr schwaches Objekt handelt.
Die oben schon genannte Astro-Gruppe nahm die Luminanzaufnahmen mit einer gekühlten, monochromatischen CCD-Kamera auf, die Farbkomponente dagegen mit zwei spiegellosen Digitalkameras. Diese spiegellosen Kameras, insbesondere solche der Marke Sony, machen den wesentlich klobigeren DSLRs zur Zeit starke Konkurrenz auf dem Kameramarkt. Die Vorteile in der Astrofotografie liegen dabei hauptsächlich im wesentlich geringeren Gewicht und der kompakten Bauweise, was es möglich macht, große Vollformat-Chips ohne große Probleme an einem Teleskop zu adaptieren. Auch sind die Sony-Kameras für ihre große Empfindlichkeit bekannt.
Generell ein Nachteil digitaler Farbkameras liegt in der Interpolation der Auflösungs- und Farbinformation. Das Pixelraster einer Farbkamera ist mit winzigen Farbfiltern behaftet, und entsprechend einem bestimmten Farbmuster aus jeweils zwei grünen, einem roten und einem blauen Filterelement aufgebaut (sog. Bayer-Muster). Erst in der Bildverarbeitung wird aus dem so entstandenen schachbrettartigen Schwarzweißbild ein Farbbild interpoliert. Diese Technik funktioniert erstaunlich gut und hat für einen regelrechten Fotoboom auf der ganzen Welt gesorgt. Allerdings hat die Astrofotografie mal wieder ihre ganz speziellen Anforderungen, bei der dieses Verfahren an seine Grenzen kommt. Kann man diese Grenzen im vorliegenden Bild sehen? Ja, kann man, und zwar in Form eines fleckigen Farbmusters, im Englischen Color Blotch genannt. Man sieht es allerdings erst dann, wenn man das Bild mindestens in 50 %iger Auflösung betrachtet, was schon beachtlich ist bei einer Bildgröße von 3000 x 2000 Pixeln. Das Ganze fällt also erst dann auf, wenn man das Bild groß ausdruckt, oder eben vergrößert auf dem Bildschirm betrachtet. Eine solche detaillierte Betrachtung eines Astrofotos ist Kritik auf hohem Niveau, und daher kann man sich über die Vor- und Nachteile der digitalen Farbkameras ausgiebig streiten. So oder so hat die Astrokooperation Ostwestfalen Lippe hier Erstaunliches geleistet. Wir gratulieren dem Team zum AdW und sind wieder einmal begeistert über die vielen, erstklassigen Aufnahmen, die uns Woche für Woche eingereicht werden.
Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim
Koordinaten für NGC 4236 (J2000):
RA = 04 h 30 min 11 s, DE = +35° 16´ 44´´
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