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27. Woche - Das Projekt M 64, eine Superidee

| Astrofoto der Woche

Bildautor Ralf Burkhart-Kreuels

Da haben sich doch tatsächlich 13 Astrofotografen zusammengeschlossen, um ein extrem tiefes Summenbild der 10' ausgedehnten Galaxie Messier 64 zu erstellen. Das AdW zeigt Norden oben, Osten links, Bildfeld: 27,9' x 18,2'. Aufgrund der bisher investierten Arbeit ist es angebracht, ruhig einmal die Namen aller Beteiligten zu nennen, in Klammern dahinter die verwendeten Teleskope: Sven Fischer (12,5" f/4,7), Roland Szlagowski (10" f/3,6), Mario Del Borrello (8" f/6,3), Ralf Burkart (11" f/5), Piotr Kolonko (6" f/5), Marco Eckstein (8" f/7), Andreas Pathmann (8" f/4), Uwe Überrhein (8" f/4), Armin Blechschmidt (6" f/5), Tino Beckenstein (12" f/20), Martin Hauser (8" f/4), Fried Lauterbach (8" f/4) und Mattias Steiner (8" f/4).

Die Endbearbeitung übernahm Ralf Burkhart-Kreuels. Lassen wir ihn hier einmal berichten: "Der Gedanke hinter dem Projekt ist ja klar, haben andere Leute ja auch schon gemacht. Neu ist, dass wir uns nicht persönlich kennen und vor allem, dass unsere Geräte und die Fähigkeiten damit umzugehen sehr unterschiedlich sind. Auch die Anzahl von Mit-Autoren ist ja schon enorm. Am Ende erhielt ich viele sehr unterschiedliche Bilder. Ich hatte darum gebeten, keine (oder nur wenig) Bildbearbeitung im Vorfeld zu machen und vor allem keine "destruktiven" Prozesse anzuwenden (Anti-Rauschfilter: igitt). Jeder, der mitmacht, darf sich auch an der Bildbearbeitung versuchen. Bisher habe ich aber keine weiteren Ergebnisse gesehen (und ich rechne auch nicht damit). Eine grundsätzliche Frage war zu klären: kann man sinnvoll ein gutes und ein schlechteres Bild kombinieren? In der Tiefe sicher kein Problem, machen wir ja beim Stacken auch so. Befindet sich auf dem einen Bild aber eine Satellitenspur, so ist sie im Endbild definitiv sichtbar. Jedes Bild trägt also zur Tiefe und zum Inhalt bei. Mit der Schärfe ist das aber schon schwieriger. Ein scharfes Bild wird ja durch Überlagerung eines unscharfen Bildes in Summe unschärfer. Das ist zwar richtig, aber gleichzeitig wird auch das Signal/Rausch-Verhältnis verbessert. Dieses kann man zur Anhebung des Kontrastes nutzen (strecken) oder zum Schärfen nutzen (was ja in gewisser Weise auch eine Kontrastanhebung auf kleinen Skalen) bedeutet. Wählt man die Schärfungsparameter sinnvoll, so kann man das unscharfe Bild auf das schärfere "hochziehen", denn der "Kristallisationspunkt" ist der scharfe Stern. Zwei unscharfe Bilder bekommt man so aber nicht zu einem scharfen."

Die Gesamtbelichtungszeit kommt auf 120 Stunden! Es wäre an dieser Stelle sinnlos, alle Einzelbelichtungen und Kameras aufzulisten, das würde sich sowieso niemand komplett durchlesen. Schauen wir uns einfach in Ruhe und im Detail das bisherige Ergebnis an. Was ist zum Bild anzumerken?

Prächtig herausgearbeitet ist die Galaxienstruktur. Die Sa-Galaxie M 64 (= NGC 4826) sticht durch zwei Besonderheiten hervor: 1) Im Zentralbereich zeigt sich ein vorgelagerter dunkler Streifen aus Staub- und Molekülwolken. Dieses Objekt brachte M 64 den populären Namen "Black Eye Galaxy" ein, das schwarze Auge. Ebenfalls kursiert der Name "Evil Eye Galaxy", das böse Auge. Warum das Auge böse sein soll, weiß wohl niemand so recht. Schaut man M 64 im Detail an (dazu bitte das Originalbild herunterladen), so offenbart sich im Auge eine flockige Struktur. Weiterhin erscheint der gesamte dunkle Augenbereich rötlich hinterlegt. Ein Zufall? Nein, denn hier wurde neben dem Gas CO ein sehr großer Anteil an ionisiertem Wasserstoff gefunden. Und der ist natürlich durch die Hα-Emission charakterisiert. 2) Der gesamten Galaxienscheibe sind sehr zarte Spiralarme aufgesetzt, die den Galaxienbulge extrem weitläufig umrunden. Hier drängt sich schon der Vergleich mit Gezeitenarmen wie bei M 51 auf. Insgesamt erscheint dieser Halobereich sehr weich. Dazu trägt insbesondere auch der Staub bei, der sich unstrukturiert in den Armregionen verteilt.

M 64 erzielte 1992 eine besondere Aufmerksamkeit. Robert Braun, R.A.M. Walterbos und R.C. Kennicutt gelang der radioteleskopische Nachweis, dass die Galaxie zwei gegenläufig rotierende Scheiben enthält. Darüber berichteten sie auf dem 181-sten Meeting der American Astronomical Society. Drei Monate später erschien ihre Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature 360, 442-444 (1992). Bei diesen Scheiben darf man jetzt aber nicht an Scheiben aus Sternen denken. Vielmehr handelt es sich um reine Gasscheiben aus neutralem Wasserstoff. Im Radiusbereich von 2 bis 12 kpc (also außern) wurde eine diffuse Gasscheibe gefunden, die mit etwa 150 km/s rotiert. Innen, also innerhalb der 2 kpc, befindet sich eine geneigte, separate Gasscheibe, die gegenläufig zur äußeren rotiert, wobei ihre Rotationsgeschwindigkeit in der Übergangszone von 180 km/s auf 150 km/s abnimmt. Diese innere Gasscheibe rotiert im gleichen Umlaufsinn wie die stellare Scheibe, die im gesamten Galaxienkörper einheitlich rotiert. Gegenläufig ist also nur die äußere Gasscheibe. Inzwischen wurden auch noch etliche andere Galaxien mit gegeläufig rotierenden Scheiben gefunden. Die Ursachen können durch zwei Modelle beschrieben werden. Zum einen könnte eine Verschmelzung mit einer weiteren, gasreichen Galaxie vor Urzeiten stattgefunden haben. So könnte das Gas des einverleibten Partners eine separate Scheibe geformt haben. Ebenso ist denkbar, dass von außen Gas in M 64 einströmte. Wir wissen heute nämlich, dass massereiche Hochgeschwindigkeitswolken das Universum durchqueren. Zu beiden Modellen gibt es passende Computersimulationen.

Anmerkungen zum Bild selbst: Bei einer dermaßen langen Gesamtbelichtungszeit darf man auch eine entsprechende Sterngrenzgröße erwarten. Und die wurde auch erreicht! Das Zusatzbild (hier klicken) zeigt einen Ausschnitt aus dem Sternfeld südwestlich von M 64. Linkes Bild: Den rot umkringelten Stern, den man kaum sieht, definiere ich hier einmal als Grenzstern. Dem Sloan Digital Sky Survey ist zu entnehmen (rechtes Bild), dass dieser Stern die Helligkeiten g = 22,73 mag und r = 21,61 mag besitzt. Rechnet man nach Lupton (2005) in Johnson-Helligkeiten um, so ergibt sich V = 22,08 mag.

Dem Projektteam also ein herzlicher Glückwunsch - zum erbrachten Gruppenbild und zum AdW, aber auch vielen Dank für ein solch spektakuläres Projektergebnis! Was noch erwähnt werden darf: Ralf Burkhart würde sich freuen, wenn dieses AdW evtuell dazu beiträgt, dass sich noch weitere Interessenten anschließen, so dass die Belichtungszeit nochmals gesteigert werden kann!

Peter Riepe

 

Koordinaten J2000.0:
RA = 12 h 56 min 44 s, DE = +21° 40' 58''

Sie haben Fragen oder Anmerkungen? Kontakt zum AdW-Team: fg-astrofotografie@vds-astro.de. Kontakt zum Bildautor: Dazu klicken Sie einfach oben auf den Namen. Sie können auch den Namen des Autors anklicken (rechte Maustaste) und dann die Mailadresse kopieren.

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