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29. Woche - Messier 94, eine außergewöhnliche Galaxie

| Astrofoto der Woche

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Das heutige AdW führt uns in das Sternbild Jagdhunde. Bildautor ist Gerald Willems, Mitglied der VdS-Fachgruppe Astrofotografie. Ihm gelang im letzten März in Lilienthal (direkt nördlich von  Bremen) diese LRGB-Darstellung mit einem 14-Zoll-Newton bei 1200 mm Brennweite und mit einer CCD-Kamera Atik 460EX (mono). Belichtet wurde L: 48 x 10 min, dazu R, G, B: je 14 x 10 min. Das Bildfeld ist 35,9' x 28,4' groß, Norden liegt oben. Osten links.

Was gibt es zu M 94 an Wissenswertem? Die 8,24 mag helle Galaxie vom Typ S_AB hat einen im Mittel weißgelblichen Farbindex (B-V = 0,72 mag), der hier im AdW ziemlich gut getroffen wird. Was sofort auffällt, ist die eigenwillige Struktur der Galaxie. Innen zeigt das AdW einen hellen Bulge mit einem noch helleren Kernbereich. Derartige Galaxien werden den sog. „Seyfertgalaxien“ zugerechnet, die im Kern-/Bulge-Bereich eine Emission aufweisen. Schaut man sich das Kerngebiet näher an, so entdeckt man einen Ring blauer Sternentstehungsgebiete, an denen nach außen kleine markante Spiralarme ansetzen, welche bis zu 3,5' nach außen reichen. Für den Ring lässt sich im AdW ein Durchmesser von etwa 94'' messen. Bereits 1989 zeigte eine tiefe Hα-Aufnahme von R.W. Pogge, gewonnen am 1-m-Teleskop des Lick Observatory, dass dieses Ringgebiet aus vielen aneinandergereihten H II-Regionen besteht. Und 15 Jahre später verfassten C. Munoz-Tunon et al. eine Arbeit mit dem Titel „The inner ring of NGC 4736: star formation on a resonant pattern,“ Astronom. J. 127, pp. 58-74 (2004). Darin berichten sie über Anzeichen eines fossilen Starbursts im Kern von ~490 Lj Durchmesser. Von dieser Starburstzone strömt Gas von innen nach außen gegen den Ring. Spektroskopische Messungen zeigen, dass gleichzeitig von außen her ebenfalls Gas auf den Ring stößt. So wird dort Materie komprimiert, die eine kräftige Sternentstehung anstößt.

Weiter außen schließt sich – durch einen dunklen Zwischenraum getrennt – ein zweiter Ring an, der sehr lichtschwach ist. Er bildet sozusagen den optischen Außenbereich, bis zu dem M 94 reicht. Misst man den Galaxiendurchmesser bis in diese lichtschwächsten Partien, so kommt man auf  18,7' x 17,0' (siehe kontrastverstärktes Zusatzbild). Das ist bedeutend mehr, als üblicherweise in der Fachliteratur angegeben wird, z.B. 11,48' x 10,00' in der Datenbank Simbad. Die Gründe liegen auf der Hand: Alte Aufnahmen mit Grenzflächenhelligkeiten um 25 mag/arcsec^2 erreichen nicht die Tiefe, die der Amateur heute mit modernen Kameras und leistungsfähigeren Teleskopen zustande bringt.

Wie weit ist M 94 entfernt? Die Fachliteratur bietet eine breite Streuung von Messergebnissen an. In der NASA Extragalactic Database (NED) werden 21 Entfernungsmessungen unterschiedlichster Autoren für M 94 angegeben. Ihr Mittelwert beträgt 4,865 Mpc = 15,87 Mio. Lichtjahre. M 94 ist demnach nur etwa 35% weiter weg als die bekannte Spiralgalaxie M 81 im Großen Bären und zählt damit zu den näheren Nachbarn der Milchstraße. Mit diesem Entfernungswert errechnet sich aus diesem AdW ein wahrer Durchmesser von 86.300 Lichtjahren. M 94 erreicht also nicht die Größe unserer Milchstraße mit 100.000 Lj Durchmesser.

Anmerkungen: Ein Doppelstern im Feld mit 4,5'' Komponentendistanz zeigt einen klaren dunklen Zwischenraum, d.h. die Auflösung kann auf ~2,2'' angesetzt werden. Das ist für unsere Verhältnisse recht ordentlich. Dadurch kommen die Feinstrukturen im HII-Ring mit den ansetzenden Spiralarmen sehr schön zur Geltung. Im Vergleich mit anderen M94-Aufnahmen im Internet fällt auf, dass hier im AdW keine Überbetonung der dunklen Zwischenräume zwischen den jeweiligen Ringen vorliegt.  Der Anblick gleicht der Galaxienstruktur, wie sie im professionellen Sloan Digital Sky Survey zu sehen ist. Noch eine kleine Anmerkung zur Farbe: Bei einem LRGB-Bild darf man ja realistische Farben erwarten. Für die weißen bis orangen Sterne ist dies auch der Fall. Blaue Sterne jedoch sucht man vergeblich. Das ist einerseits verständlich, weil die blauen jungen Sterne in der galaktischen Ebene zwar gehäuft vorkommen, an den galaktischen Polen aber zwangsläufig selten sind. Einen habe ich aber gefunden: So sollte der Stern bei den Pixelkoordinaten (929/1319) mit B = 12,9 mag und V = 12,8 mag eindeutig blau herauskommen. Da der Chip der Kamera (Sony ICX694) für blaues Licht eine recht hohe Empfindlichkeit hat, vermute ich: Der norddeutsche Himmel dürfte gerade in der Nähe der Großstadt Bremen im blauen Spektralbereich stärkere Verluste aufweisen. Hier wäre es besser, nicht RGB jeweils gleichlang zu belichten, sondern mehr blaue Photonen zu sammeln. Was an Blau im Bild fehlt, kann auch durch Strecken nicht herbeigezaubert werden. Auf einen Versuch käme es an.

Von dieser Kleinigkeit einmal abgesehen: Einen herzlichen Dank für diese schöne Aufnahme, und dazu die Gratulation des AdW-Teams zu einem sehr interesssanten Astrofoto der Woche.

 

Peter Riepe
Bildautor: Gerald Willems

 

Koordinaten von M 94 (J2000):
RA = 12 h 50 min 53,1 s, DEC = +41° 07' 13''

 

 

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