32. Woche - Die Zone um M 16 und M 17

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Wer kennt es nicht, das Gebiet um die hellen Emissionsnebel Messier 16 und 17 im Schützen? Heute zeigen wir ein Bild dieser Zone, in der es nur von Emissionsnebeln wimmelt. Hans Jürgen Mayer, Mitglied der Fachgruppe Astrofotografie, ist der Bildautor. Seine tiefe Aufnahme datiert aus der Zeit August 2019 bis September 2020. Wer Hans Jürgen kennt, der weiß: Er fotografiert am liebsten während seines Urlaubs. Diesmal war es Fuente del Albarico im spanischen Andalusien. Als Aufnahmeoptik wurde ein Canon EF200/f2,8 bei Blende 3,5 verwendet, um Randabschattung und Eckenzeichnung sauber zu halten. Um die Filterunge durchzuführen, wurde mit zwei parallelen Kameras gearbeitet: mit einer Canon EOS 1300Da und einer Canon 1100D mono. Gefiltert und belichtet wurde bei ISO 800 wie folgt: Farbe 11 h, Hα 18 h, [OIII] 5 h. Das Bildfeld mit Norden oben misst 6° 28' x 4° 20'.
Über die beiden Hauptnebel (M 16 mit seinem östlichen Teil IC 4707 und seinem westlichen Teil IC 4706 sowie über M 17) möchte ich hier nichts näher berichten, dann würde der Beitrag viel zu lang. Angemerkt werden sollte aber, dass dieser 34-stündige Belichtungsmarathon sowohl M 16 als auch M 17 in einer wesentlich veränderten Sichtweise zeigt. Der Außenbereich beider Nebel ist in den schwächsten Bereichen sehr ausladend und in Fasern und Bögen ziemlich komplex strukturiert. So muss man sich fragen: Warum wird eigentlich für jeden Emissionsnebel stets ein scheinbarer Durchmesser angegeben? Verständlich, denn der Amateur möchte das gern so, um eine Vorstellung über die Objektausdehnung speziell bei der Fotografie zu bekommen. Passt der Nebel ins Gesichtsfeld? Habe ich genüged Umfeld? Hier im Fall von M 16 und M 17 ist es ja sogar so, dass beide durch schwache Emissionsnebel miteinander in Verbindung stehen. Die gesamte Zone in diesen galaktischen Bereichen ist von schwach ionisiertem und leuchtendem Wasserstoff erfüllt. Da muss man sich wirklich fragen: Wo endet die eine HII-Region und wo beginnt die nächste?
Auch der Fall von IC 4701 (= LBN 55) südwestlich von M 17 rechts unten am Bildrand ist interessant. Von Simbad als Radioquelle benannt, ist dieser Emissionsnebel deutlich lichtschwächer als seine beiden hellen Nachbarn. Er zeigt jedoch nach Osten hin eine helle Ionisationsfront. Wer regt sie zum Leuchten an? Hängt das evtl. mit dem kleinen offenen Sternhaufen M 18 zusammen, der östlich von IC 4701 am unteren Bildrand steht? Oder verbirgt sich in dem dunklen Staubbereich zwischen IC 4701 und M 18 möglicherweise ein bisher noch nicht entdeckter heißer O-Stern?
Noch eines zeigt sich in dieser tiefen Belichtung: Es gibt kleinere Nebelchen, die sozusagen "selbstständig" funktionieren, die aber irgendwie doch mit den beiden Großen zusammenhängen. Daher jetzt zu den kleineren Nebeln, die mir selbst neu sind und über die es Wissenswertes gibt. Da liegt zunächst knapp östlich der Verbindungslinie M 16/M 17 ein helleres Nebelchen bei den Pixelkoordinaten (2985/1395). Dieses rundliche Objekt von etwa 13,5' Ausdehnung wird in der Fachwelt als 'Bubble' (Blase) bezeichnet. Es ist als [CPA2006] N18 bzw. auch [ABB2014] WISE G016.648-00.357 katalogisiert. Nie gehört? Ich auch nicht. So etwas findet man dann eben nur in der Fachliteratur. Für interessierte Leser: Churchwell E., Povich M.S., Allen D. et al.: The bubbling galactic disk; Astrophys. J. 649, 759-778 (10/2006) sowie Anderson L.D. et al.: The WISE catalog of Galactic H II regions; Astrophys. J., Suppl. Ser. 212, 1 (2014). Solche Blasen finden sich vorzugsweise in der Nähe oder am Rande gößerer HII-Regionen, wo Wasserstoff durch zahlreiche unauffällige Sterne zur Emission gebracht werden. Einige Hundert dieser Bubbles wurden durch Infrarotmessungen wie mittels GLIMPSE oder auch WISE gefunden und mit radioastronomischen Ergebnissen abgeglichen. Gerade bei den schwächsten Nebeln zeigt sich: Die Milchstraße ist davon voller als wir denken.
Eine kleine runde rote HII-Region sitzt auch etwas südöstlich von der vorbesprochenen, bei (2424/1570). Der Nebel hat 9' Durchmesser und sein Katalogname PMN J1825-1449 leitet sich aus einem Radio-Survey ab. Die meisten von uns (mich selbst eingeschlossen) kennen ihn vermutlich nicht – bisher, jetzt schon ... Dazu eine Fachpublikation: Griffith M.R., Wright A.E.: The Parkes-MIT-NRAO (PMN) surveys. I. The 4850 MHz surveys and data reduction; Astron. Journal 105, 1666-1679 (1993). Die Aufnahmetiefe bringt auch ansonsten kaum bekannte, aber bereits früher katalogisierte HII-Regionen zum Vorschein. So leuchtet bei (2440/320) eine kleine Gruppe roter Emissionsnebel. Zusammen bilden sie Sh2-53. Wäre das nicht einmal ein astrofotografisches Motiv für Kollegen, die in Namibia aktiv sind? Feldgröße von Sh2-53 etwa 15' x 11'.
Parallel zum galaktischen Äquator verläuft ein dichtes, variabel strukturiertes Staubband. Der Staub sammelt sich in unserer Milchstraße (ebenso so wie in anderen Scheibengalaxien) vorwiegend in der galaktischen Ebene. Etwas weiter östlich hier im Bild im Mittenbereich der hellen Scutum-Sternwolke sticht die große Dunkelwolke LDN 379 ins Auge.
Anmerkungen: Bei dieser Superaufnahme handelt es sich klar um eine Falschfarbenaufnahme, auch wenn die RBG-Farben darin integriert sind. Allein schon die Verstärkung von Hα und der Zusatz von [OIII] lässt die Farben anders erscheinen als bei einer reinen RGB-Aufnahme. Das aber ist gut so und absolut gerechtfertigt, denn sonst könnte man die hier besprochenen neuen Nebelchen gar nicht erkennen. Auch M 16 und M 17 können dank der [OIII]-Zugabe bis ins aufgelöste Zentrum nachverfolgt werden. Eine Sache hat mich aber nachdenklich gestimmt: Was ist ungewöhnlich am heutigen AdW? Dazu bitte das Zusatzbild anschauen. Es zeigt in zwei Teilen jeweils den selben Bereich aus der hellen Scutum-Wolke. Das obere Bild stammt aus dem Bildatlas Aladin in der Datenbank Simbad, das untere Bild zeigt denselben Bereich als Ausschnitt aus dem AdW. Rechts oben sitzt der 4,68 mag helle Stern Gamma Scuti mit Spektraltyp A1. Das Bild von Hans Jürgen bringt den Stern entsprechend bläulich, also korrekt für RGB. Um die Sternfarben geht es mir hier aber gar nicht. Es fallen einem sofort die zahllosen kleinen schwarzen Flecke auf, die das gesamte Bild durchziehen, die aber in Aladin dort nicht vorhanden sind. Im AdW tauchen diese dunklen Punkte überwiegend in den sternreichen sehr dichten Zonen auf, nicht in den dunkleren Feldern außerhalb. Was ist hier geschehen? Hier handelt es sich nach meiner Einschätzung um Artefakte, die durch Schärfungsalgorithmen hervorgerufen wurden. Wer sich mit dem Bildautor darüber austauschen möchte – gern. Die Mailadresse ist ja aufgeführt.
Ansonsten ein prächtiges Bild, das nicht nur die Standardobjekte heraushebt, sondern auch einige neue Eindrücke und Erkenntnisse vermittelt. Vielen Dank an Hans Jürgen Mayer für dieses gelungene, kurzbrennweitige Bild. Dazu natürlich auch die Gratulation des AdW-Teams zum Astrofoto der Woche.
Peter Riepe
Bildautor: Hans Jürgen Mayer
Koordinaten des Bereichs zwischen M 16 und M 17 (J2000.0):
RA = 18 h 20 min, DE = -15° 00'
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