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32. Woche - M 81 und M 82, ein außergewöhnliches Paar

Fotografiert von: Stefan Muckenhuber und Thomas Engl | | Astrofoto der Woche

Unser heutiges AdW ist extrem tief und zeigt das Galaxienpaar M 81/82, scheinbar eingehüllt in recht komplexe Nebel. Gehören all diese Nebel zu der Galaxiengruppe? Nein, denn bei genauem Hinschauen bemerkt man, dass auch vordergründiger galaktischer Zirrus im Bildfeld vorhanden ist. Er gehört zu unserer Milchstraße und weist relativ geradlinigie Kanten oder filamentähnliche Formen auf. Das Problem besteht (wieder einmal) darin, reale extragalaktische Strukturen vom galaktischen Zirrus zu trennen.

Das Bild zeigt Norden links und Osten unten bei einem Bildfeld von etwa 1° x 0,7°. Die sicherlich auffälligste Struktur ist "Arp´s Loop". Dieser lichtschwache Bogen liegt im Nordosten etwas außerhalb der Scheibe von M 81 (im Bild also unterhalb des linken Endes von M 81). Bei Untersuchungen mit dem Weltraumteleskop Hubble im Jahre 2007 konnte Arp´s Loop teilweise in Einzelsterne aufgelöst werden, so dass dieser Bogen also zu M 81 selbst gehört. Vielleicht handelt es sich sogar um einen Sternstrom? Nordwestlich des Nordrandes von M 81 (im Bild also oberhalb des linken Endes von M 81) erstreckt sich ein weiterer lichtschwacher Bogen, der an eine Fortsetzung eines Spiralarms erinnert. Dies ist kein Zirrus-Bogen! Sun et al. haben 2005 vorgeschlagen, es sei ein Gezeitenschweif von M 81. Und auch bei M 82 zeigt sich ein wenig beachtetes Detail, das man zunächst nur schwer einschätzen kann: ein 4' langer, ziemlich schmaler Bogen südlich des Zentrums (rechts) von M 82 bei 427/825. Man könnte vermuten, hier läge ein Filament des galaktischen Zirrus vor. Jedoch handelt es sich um einen echten Emissionsbogen, der überwiegend in Hα leuchtet und in farbigen Aufnahmen rot zur Geltung kommt. Diese Emission erhält ihre Anregungsenergie aus Supernovaausbrüchen und starken Sternwinden, die auf mehrere massive Supersternhaufen (superstarcluster) im Zentralbereich von M 82 zurückzuführen sind. Sie entstanden während mehrerer heftiger Sternentstehungsausbrüche (starbursts). Dass der umgebende Halo von M 82 relativ hell ist und von helleren Gasfetzen durchsetzt wird, hängt auch mit diesen Starbursts zusammen.

Aber es gibt noch mehr Materie zwischen M 81 und M 82. Der größte Teil davon ist gasförmig und von daher nicht auf dem Bild zu sehen. Schon 1981 berichteten Appleton, Davies & Stephenson, dass die Gruppe der Galaxien M 81, M 82, NGC 3077 und NGC 2976 in eine ausgedehnte, verwirbelte Wolke aus neutralem Wasserstoff gehüllt ist. Das ist erstens ein Hinweis auf die gemeinsame Natur dieser Galaxien und zweitens ein Beweis dafür, dass diese Galaxien miteinander wechselwirken. M 81 und M 82 sind im Mittel 11,6 Mio. Lj entfernt (Karachentsev et al. 2004).

Im AdW sind einige dem Leser sicherlich weniger bekannte Begleiter von M 81 versteckt. Zunächst liegt ein unscheinbarer Zwerg namens BK3N bei den Pixelkoordinaten 1636/341 (dazu das Bild bitte herunterladen). Im Bild lässt sich ein Durchmesser von 18 px bestimmen (= 33 arcsec). Das entspräche in der Entfernung von M 81/82 einem wahren Durchmesser von nur 1850 Lj. BK3N ist demnach ein Winzling mit einigen wenigen hellen Sternen von 21 bis 22 mag, die hier aufgelöst erkennbar sind. BK3N erreicht nur eine Blauhelligkeit von 18,8 mag. Sie wurde 1982 von F. Börngen und V.E. Karachentseva entdeckt – mit dem 2-m-Schmidtspiegel in Tautenburg bei Jena, damals noch DDR. Als Detektor war zu der Zeit die bewährte grobkörnige ZU-Platte von Orwo gebräuchlich. Man beachte: damals Fotoplatte und 2-m-Spiegel, heute mit gleichem Erfolg Amateurteleskope von 100 bis 150 mm Öffnung mit moderner CCD-Kamera.

Bekannter ist Holmberg IX. Die auffällige, hellere irreguläre Zwerggalaxie liegt direkt östlich (hier unterhalb) von M 81 bei 1524/1001. Ihr Längsdurchmesser von 108 px entspricht in der Entfernung von M 81 einem wahren Durchmesser von 11.250 Lj, vergleichbar mit der Kleinen Magellanschen Wolke. Deutlich lässt sich im AdW bei 1491/1058 die hellste HII-Region von Holmberg IX erkennen, obgleich hier noch nicht einmal eine Hα-Filterung vorgenommen wurde. Der rundliche Nebel mit Zentralstern (stark hineinzoomen) ist als MH9/10 katalogisiert (Miller & Hodge, 1994). Holmberg IX ist im blauen Licht 14,5 mag hell, sie verfügt über viele blaue, neu entstandene Sterne. Die hellsten davon sind im AdW eindeutig aufgelöst.

Der dritte Begleiter ist A952+69. Das "A" in dieser seltsamen Galaxienbezeichnung bedeutet "Anonymus", gefolgt von den groben 1950er Koordinaten. Interessant ist, dass dieser diffuse, irreguläre Zwerg offenbar in Arp´s Loop entstanden ist (Sun et al. 2005). Wie nicht anders zu erwarten, hat dieses Objekt mit einer Blauhelligkeit von 16,8 mag eine extrem geringe Flächenhelligkeit. Man kann A952+69 bei 1070/992 erkennen. Hier findet man zwei getrennte stellare Bereiche, den größeren östlich (unterhalb), den kleineren westlich (oberhalb) der genannten Pixelkoordinaten.

Das aktuelle AdW ist eine Kooperation von Stefan Muckenhuber und Thomas Engl. Beide nehmen hier bei uns erstmals teil. Wir begrüßen Euch ganz herzlich!
a) Stefan Muckenhuber: Februar 2015 bis April 2016, 102-mm-Apochromat (TS Triplet f/7 reduziert auf f/5,5) und dazu Skywatcher Esprit 100 mit f/5,5; belichtet 219 x 300 s in Luminanz, dazu noch Luminanz aus jeweils 6 * 1200 s und 21 * 300 s RGB extrahiert.
Atik 460ex mono, Skywatcher AZ-EQ, Nachführung: Mgen, Astronomik LRGB-Filter.
b) Thomas Engl: Februar/März 2015, Newton 150 mm/600 mm mit ASA-Korrektor auf 460 mm Brennweite reduziert (f/3,07), Atik 460ex mono, 184 x 333 s Luminanz, Vixen New-Atlux, Nachführung: Sucher mit Guidemaster, Astrodon-Filter.
c) Bildzusammenführung und Bildbearbeitung: Stefan Muckenhuber (PixInsight).

Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe

Mit der Zeit ändern sich die Anforderungen: reichte es früher bei der Darstellung der Galaxien M 81/M 82 ein knackig scharfes Bild zu präsentieren, so muss heute auch noch der galaktische Zirrus mit drauf – und die beiden Bildautoren Stefan Muckenhuber und Thomas Engl haben das großartig hinbekommen!

Rechnet man die angegebenen Belichtungszeiten nach, ergibt sich eine Gesamtbelichtung von gut 39 Stunden, verteilt auf drei Instrumente und mehrere klare Nächte 2015 und 2016, die zu diesem wirklich tiefen Blick zusammengefasst wurden. Das Ergebnis ist nicht nur ein Beispiel für einen Belichtungsmarathon, sondern auch eine Mammutaufgabe bei der Bildbearbeitung, die Stefan Muckenhuber nahezu perfekt erledigt hat.

Die Präsentation nur in Schwarzweiß ist dem Bildeindruck nicht abträglich, einzig der Versuch, den immensen Helligkeitsumfang zwischen dem „fast nichts“ des galaktischen Zirrus und dem „sehr viel“ im Zentralbereich von M 81 und auch M 82 in einem Bild zu bändigen, ist nicht komplett gelungen. So finden sich im Bereich des Staubes zwischen den Spiralarmen von M 81 viel zu dunkle Zonen, die dort nicht real sind. Außerdem ist M 82 im Bild eher vom Halo dominiert, während der edge-on-Körper kontrastarm bleibt – eine winzige Kritik nur, aber die Helligkeitsanpassung hätte hier noch etwas sorgfältiger erfolgen können. Was demgegenüber sehr gut herauskommt, sind die sehr schwachen Bögen, Zirren und die Begleitgalaxien mit aufgelösten Sternen.

Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies, Frank Sackenheim und Peter Riepe

Koordinaten der Bildmitte für Epoche J2000.0:
RA = 09 h 55 min 40 s, DE = +69° 23' 25"

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