33. Woche - Der Hals des Pelikans

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Als Astroaufnahme wird der Pelikannebel IC 5070 meistens zusammen mit seinem Nachbarn, dem Nordamerikanebel NGC 7000, gezeigt. Heute können wir eine sehr schöne Detailstudie zeigen, die uns Dietmar Gutermuth eingereicht hat. Das Bild entstand in drei Nächte im Zeitraum 11.09.2015, 11.10.2015 und 02.11.2015. Auch wenn dies schon in paar Jährchen zurückliegt - der Pelikannebel hat nichts von seiner Faszination verloren. Als Aufnahmeteleskop kam ein Newton-Cassegrain zum Einsatz, eine Eigenkonstruktion mit D = 300 mm und f = 2070 mm, d.h. Öffnungsverhältnis 1:6,9 oder auch Apertur f/6,9. Die Bildserie entstand im Primärfokus mit einem ASA-Korrektor. Kamera war eine QSI583wsg. Die Belichtungszeiten: 11 x 900 s (L), je 4 x 900 s (RGB) und 9 x 900 s (Hα), was insgesamt 8 h Belichtungszeit ergab. Die Hα-Filterungen wurden dem R-Kanal hinzugefügt. Das Bild zeigt 19,1' x 25,4' Gesichtsfeld, wobei Norden oben und Osten links ist. Der Bildautor schreibt: "Anreiz bei der Aufnahme waren für mich die rüsselartigen Gebilde innerhalb IC 5070 und die Sternentstehungsgebiete. Daher wählte ich die lange Brennweite für diese Detailaufnahme." Dann nehmen wir uns diese Details jetzt einmal vor.
Pelikannebel und NGC 7000 bilden eine zusammenhängende HII-Region mit dem Katalognamen W80 im radioastronomischen Westerhout-Katalog. Zwischen dem „Pelikanschnabel“ und dem „Golf von Mexiko“ verläuft als Trennzone der Dunkelnebel LDN 935 von Nordnordwest nach Südsüdost. Wir sehen einen Teil dieses Dunkelnebels oben links im AdW. Das Zusatzbild zeigt den Pelikan- und die Ausläufer des Nordamerikanebels mit der dazwischen liegenden Dunkelwolke LDN 935. Die beiden hellen Sterne 56 Cygni (4,9 mag und Spektraltyp A6) und 57 Cygni (4,8 mag und Spektraltyp B5) sind nicht in der Lage, zur Anregung und Emission der Region beizutragen. Die zentrale, ionisierende Quelle des NGC7000-IC5070-Komplexes ist der Infrarotstern mit dem Katalognamen 2MASS J20555125+4352246 oder auch [CP2005] 4 nach den beiden Astronomen F. Comeron und A. Pasquali, die 2005 ihre Forschungsarbeit am 2,2-m-Teleskop auf dem spanischen Calar Alto präsentierten: "The ionizing star of the North America and Pelican nebulae", Astron. & Astrophys. 430, 541-548. Dieser Stern (gelber Kringel) hat nur eine scheinbare Helligkeit von 13,2 mag. Er wird durch eine visuelle Absorption von 9,6 mag sehr stark geschwächt und gerötet. Sein Spektraltyp wurde durch die beiden Astronomen auf O5 geschätzt. Neuere Messungen zeigen aber, dass es sich um einen doppelten Stern handelt. Die extreme Hauptkomponente hat den Spektraltyp O3,5III und dazu einen O8-Begleiter. Zwar ist dieser Stern außerhalb des AdW-Bildfeldes, aber er ist für die nachfolgend beschriebenen Phänomene verantwortlich. In dem Zusatzbild sieht man sofort, dass die von [CP2005] 4 kommende energiereiche UV-Strahlung rechts oben auf eine dichte, rund 2000 Lichtjahre entfernte Molekülwolke prallt, die als verbogener "bright rim" die Halsregion des Pelikans bildet. Hier werden die gasförmigen Anteile der rechts anschließenden Molekülwolke ionisiert und leuchten hell auf, insbesondere im Hα-Licht.
An der Stoßfront und knapp hinter ihr entstehen in der komprimierten Zone der Molekülwolke neue Sterne - Sterne der „zweiten Generation“. Bei den Pixelkoordinaten (1684/2032) sind drei kleine leuchtende Sterne in nebeliger Umgebung zu erkennen. Der mittlere ist der Emissionslinienstern LkHα 137. Dieser junge rote K-Stern von 14,5 mag steckt tief in der dichten Molekülwolke. George H. Herbig entdeckte ihn 1958 zusammen mit etwa 30 anderen Emissionsliniensternen in der Cygnusregion und wies bereits damals darauf hin, dass der Stern offenbar in nebeliger Umgebung stünde und auch variabel sei. Weiterhin liegen in den dichten Zonen einige Infrarotsterne, die hier aber nicht sichtbar sind und auf die nicht eingegangen wird.
Typische Hinweise auf neu entstandene Sterne sind außer zahlreichen jungen T-Tauri-Sternen einige „Herbig-Haro-Objekte“ (HH). Das sind von jungen stellaren Objekten ausgestoßene kleine Nebel, die in optischen Wellenlängen emittieren. Eine ganz neue Klasse von HH-Objekten wurde gegen Ende der 1990-er Jahre gefunden. Ihr Gasausfluss wird durch UV-Strahlung von außen zum Leuchten angeregt („irradiating HH objects“). Ein solches HH-Objekt befindet sich an der Spitze des auffälligen Rüssels, der im AdW bei den Pixelkoordinaten (822/1254) liegt. Dieser Rüssel aus molekularem Material und Staub hat sich bisher bei der Zerstörung der hellen Ionisationsfront standhaft behauptet. Seine langgezogene Form geht auf den erlittenen Strahlungsdruck zurück. Der kleine, gekrümmte Bogen ist HH 555. Die beiden Bogenstücke stehen senkrecht zum Rüssel. Sie strömen aus einem verborgenen jungen stellaren Objekt entgegengesetzt nach außen ab. Der zugehörige Infrarotstern ist im Bild nicht sichtbar, zu tief steckt er im Rüsselmaterial. Weitere Herbig-Haro-Objekte im AdW sind HH 563 und HH 564 bei (1790/2650) und (1655/2530). Und noch ein junger Emissionlinienstern ist im Bild: LkHα 136 bei (1771/2340).
Anmerkungen: Die Aufnahme von Dietmar Gutermuth ist trotz der relativ kurzen Belichtungszeit von nur 8 Stunden bei Blende 6,9 recht tief, was offensichtlich auch am guten Seeing lag. So hat der mit klarem Abstand aufgezeichnete Doppelstern bei (1130/2535) 5,4 Bogensekunden Distanz, so dass das reale Auflösungsvermögen auf unter 2 Bogensekunden liegt.
Dietmar Gutermuth vielen Dank für das prächtige AdW, welches technisch sehr gut umgesetzt wurde. Sicherlich lässt sich hier noch mehr an interessanten Details finden, was dem Schreiber dieses Textes noch verborgen blieb ... Die Gratulation des AdW-Teams zum Astrofoto der Woche!
Peter Riepe
Bildautor: Dietmar Gutermuth
Koordinaten von HH 555 (J2000.0):
RA = 20 h 51 min 19,7 s, DE = +44° 25' 36"
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