36. Woche - Messier 16, der Adlernebel

Im Sternbild Schlange, nahe zum Schützen, liegt das helle Deep-Sky-Objekt Messier 16. Beobachter kennen die beliebte Kette M 16 - M 17 - M 20 - M 8, die mit einem Feldstecher bereits gut verfolgt werden kann. Weitwinkelkoptiken zeigen ihre Lage innerhalb der südlichen Milchstraße. Für Astrofotografen - insbesondere für die Einsteiger - sind sie wegen ihrer Helligkeit problemlos abzulichten und zählen zu den Standardobjekten. Jedoch gilt auch hier: Je länger die Belichtungszeit, desto lichtschwächere und weiter hinausreichende Partien zeigen sich in den Außenbezirken. Messier 16 ist eine Kombination aus dem jungen Sternhaufen NGC 6611, umgeben von dem hellen Emissionsnebel IC 4703. Ein guter und umfassender Fachartikel zu Messier 16 findet sich bei Hill et al. "The M 16 molecular complex under the influence of NGC 6611", Astronom. & Astrophys. 542, A114 (2012). Demnach war der Entdecker nicht der Franzose Charles Messier, sondern der Schweizer J.-P. de Chéseaux. Bereits 1745 berichtete er über den Sternhaufen, während Messier erst 1764 seine parallele Entdeckung mitteilte. Allerdings war Messier derjenige, der erstmalig die Einbettung des Sternhaufens in einen Nebel registrierte, deshalb ist auch die Bezeichnung M 16 für den Nebel gerechtfertigt.
Was wissen wir heute über M 16? Es handelt sich um ein junges, aktives Sternentstungsgebiet von 1 bis 3 Mio. Jahren Alter. In dieser Phase existieren noch massive O-Sterne. Später explodieren sie als Supernovae und fehlen dann im Sternenbestand. Die Entfernung kann zu etwa 2 kpc abgeschätzt werden (~6500 Lj). In NGC 6611 wurden zahlreiche dieser O-Sterne gefunden, dazu auch eine Menge von B-Sternen. O- und B-Sterne sind massereiche Sterne mit hoher Leuchtkraft, die mit ihrem Energieausstoß erst dafür sorgen, dass eine Gaswolke Licht emittiert.
Was sieht man auf tiefen, gut aufgelösten Aufnahmen innerhalb von M 16? Das AdW (Bildfeld 46,5' x 31,4' mit Norden oben) präsentiert uns den helleren Zentralteil. Die Außenbezirke reichen noch viel weiter weg. Zunächst einmal ist der rote Emissionsnebel nur ein "freies Fenster" innerhalb einer dunklen Wolke aus molekularem und staubförmigem Material. Wir blicken in eine Höhle in der Molekülwolke. Inmitten dieser Höhle befindet sich der junge Sternhaufen NGC 6611, der mit seinen OB-Sternen die Innenränder der Höhle zur Emission angeregt. Der gesamte Nebelkomplex wird eingerahmt von "bright rims". Das sind die hellen Emissionsränder, die vorwiegend in H-Alpha leuchten und die dort entstehen, wo die umgebende molekulare Materie mit den heftigen Sternwinden der O-Sterne kollidiert. Genau dort wird der Rand der Molekülwolke zerrupft und zerfällt allmählich. Elefantenrüssel und Globulen bleiben als vorläufige Reste übrig. Dies sind dann die Zonen, in denen eine nachfolgende ("sekundäre") Sternentstehung abläuft. Am bekanntesten sind die "Pillars of Creation”, die "Säulen der Schöpfung". Im AdW sind sie als fingerförmige Struktur in der Bildmitte gut erkennbar. Sie zeigen unmittelbar auf den Sternhaufen NGC 6611, der ihre Struktur formt. Ein ähnliches Objekt liegt 6,6' nordöstlich der Pillars. Es ist in der Astronomie als "Spire" bekannt. Auch hier weist die Dynamik klar auf NGC 6611 als Formgeber hin. Die dem Sternhaufen zugewandten Spitzen aller "bright rims" leuchten am hellsten, weil hier die direkte Kollisionszone ist. Das gesamte Gebiet des Adlernebels wird durch vorgelagerte interstellare Materie verdeckt. Insofern bleibt uns der Blick in den Innenbereich eigentlich verborgen. Jedoch haben IR-Aufnahmen (die der Astrofotograf ja gar nicht so recht liebt ...), eine völlig neue Sicht auf M 16 möglich gemacht (hier klicken). Das Bild in den Wellenlängen 70 μm (blau), 160 μm (grün) und 250 μm (rot) aus der anfangs zitierten Quelle offenbart ein komplexes und vermengtes Gewirr aus Strängen und Bögen.
Michael Nolle gelang dieses Bild in den Nächten am 19. und 21.08.2017. Aufnahmeort war San Lawrenz/Malta. Mit einem Ritchey Chrétien (GSO RC 203 mm / 1624 mm) und einer gekühlten Kamera des Typs PrimaLuceLab 700Da wurde 26 x 5 min belichtet, bei ISO 3200. Die Kühlung der Kamera betrug 0°C am 19. und -5°C am 21. August. Gestackt wurde mit DeepSkyStacker im Sigma Clipping Modus. Als weitere Software kamen Fitswork und Photoshop zum Einsatz (für die Hintergrundkalibrierung, Kontrast, Helligkeit und Schaerfen). Zum Schluss folgte noch eine leichte Rauschfilterung mit Noiseware Community. Der Bildautor merkt an: "Es war recht windig und es zogen immer wieder Wolken durchs Gesichtsfeld, daher kamen nicht so viele brauchbare Aufnahmen zustande wie ich mir gewünscht hätte."
Ein kleiner Kommentar zu den Sternfarben, zusätzlich zum Kommentar von Frank Sackenheim, erscheint mir angebracht. Junge, heiße Sterne sind stets kräftig blau mit Farbindizes B-V zwischen -0,3 bis +0,2 mag. Hier in M 16 jedoch ist NGC 6611 von Staub überdeckt, auch wenn es kaum auffällt. Die Sternfarben - selbst bei den O-Sternen - werden auf B-V zwischen +0,4 bis +0,6 mag gerötet, erscheinen also weißlich-bläulich bis weiß. Das satte Blau, das man von verschiedenen Aufnahmen im Internet kennt, ist total überzogen und hat mit der Realität nichts zu tun.
Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe
Das Bild von Michael Nolle ist in mehrfacher Hinsicht sehr interessant. Zum einen wurde es an einem recht exotischen Standort aufgenommen, nämlich in St. Lawrenz auf der maltesischen Insel Gozo. Nun verspricht ein exotischer Standort nicht immer auch hervorragende Bedingungen. Malta ist recht touristisch und der Himmel dürfte nicht dunkler sein als ein Landhimmel in Deutschland. Allerdings liegt Malta etwa auf der Höhe von Tunesien, und damit steht M 16 bereits deutlich höher am Himmel. Auch die verwendete Kamera ist exotisch, es handelt sich um eine professionell umgebaute DSLR vom Typ Canon 700D. Die italienische Firma PrimaLuceLab bietet diese Spezialanfertigung an, die in Deutschland über einen Vertrieb ebenfalls erhältlich ist. Die Kamera wurde dabei nicht nur astromodifiziert (Wechsel des herkömmlichen Infrarotfilters gegen einen speziellen, für die Astrofotografie von Emissionsnebeln besser geeigneten), sondern wurde zusätzlich mit einer Kühlung versehen. So lassen sich reproduzierbare Dunkelbilder erstellen, und selbstverständlich ist der Dunkelstrom selber geringer durch eine aktive Kühlung.
Das Bild erscheint mir insgesamt zu dunkel. In der linken und rechten unteren Ecke sind noch Nebeldetails versteckt, die erst bei einer helleren Darstellung sichtbar werden. Dafür erkennt man sehr schöne Details im Nebelzentrum, insbesondere die "Säulen der Schöpfung" kommen gut heraus. Wir gratulieren dem Autor zum AdW.
Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim
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Koordinaten von NGC 6611 (J2000):
RA = 18 h 18 min 48 s, Dec = -13° 48' 24''