39. KW - Leuchtende Nachtwolken über der Ostsee

Im heutigen AdW zeigen wir ein Phänomen in der irdischen Atmosphäre. Fachgruppenmitglied Carsten Jonas aus Gettorf hatte eigentlich schon seine „7 Sachen“ für einen Namibiaaufenthalt gepackt, als er am Abend des 15. Juli 2018 bei transparentem Himmel helle sehr detailreiche sogenannte „Leuchtende Nachtwolken“ entdeckte, für die es sich lohnte, nochmals seine Ausrüstung einsatzbereit zu machen. Mit einer digitalen Spiegelreflexkamera Canon EOS 5D Mk IV und einem Weitwinkel-Zoomobjektiv 24-70 mm belichtete er 20 s bei ISO 800, Blende 2,8 und eingestellten 35 mm Brennweite. Die Aufnahme entstand gegen 01:11 Uhr MESZ am Strand von Surendorf bei Kiel, ziemlich exakt Richtung Nord, wie der Autor mitteilte.
Der Begriff Leuchtende Nachtwolken ist etwas irreführend, da sie weder selbst leuchten, noch nur in der Nacht existieren. Die Leuchtenden Nachtwolken (= LNW) findet man in sehr großen Höhen (ca. 80-82 km). Sie sind oft so hauchzart, dass Sterne hindurch leuchten können. Daher heben sie sich am Tag- oder noch hellen Dämmerungshimmel vom Kontrast her nicht genügend ab. Wie der Autor nach eigenen Angaben konstatierte, hatten die sich weit ausladend sichtbaren LNW eine Helligkeit von „5“. Es existiert eine Skala von 1 bis 5 mit folgender Bedeutung: 1 „LNW sehr schwach und kaum sichtbar“, 2 „LNW eindeutig erkennbar, aber geringe Helligkeit“, 3 „LNW eindeutig sichtbar, klar gegen den Dämmerungshimmel abhebend“, 4 „LNW sehr hell, erregen Aufmerksamkeit von Zufallsbeobachtern“ und schließlich 5 „extrem hell, beleuchten Gegenstände merklich“. Die Form der Wolken ist sehr vielfältig. Die WMO (Welt-Meteorologie-Organisation) nennt dabei fünf Haupttypen: Schleier, Bänder, Wogen, Ringe und strukturlose, diffuse Gebilde. Die vorliegende Aufnahme zeigt in der Hauptsache Bänder und Wellen sowie einige Wirbel. Weitere Informationen findet man z.B. auch auf forum.meteoros.de.
Wie kommt es zu Leuchtenden Nachtwolken? Etwa 15-35 Minuten nach Sonnenuntergang zeigen sich die ersten feinen Federn, Rippen oder Streifen, die nach ca. 1-2 Stunden am deutlichsten auf der Seite zu erkennen sind, wo die Sonne unter dem Horizont steht. Man sieht sie i.d.R. nur, wenn die Sonne zwischen 6° und 16° unter dem Horizont steht. In Norddeutschland sinkt die Sonne Anfang Juni bis Mitte Juli nicht unter 16° unter den Horizont, sodass sie hier besonders gut beobachtbar sind. Die LNW zeichnen sich hell gegen den Hintergrund des Dämmerungsscheins ab, reichen kaum über 20° über den Horizont und erstrecken sich meist von NW über N nach NO. Am Meer lassen sie sich besonders gut ausmachen. Im Gegensatz dazu erscheinen „normale“ Cirrus-Wolken (Höhe maximal 13 km) dunkel. Demnach stehen LNW noch im vollen Sonnenlicht und stundenlang ist ihr bläulich-weißes Licht zu sehen. Im Laufe der Zeit wird die angestrahlte Fläche der LNW kleiner und sie nähern sich immer mehr dem Horizont. Da das Licht in der Regel recht schwach ist, braucht es neben Geduld und Wetterglück vor allem auch dunkel-adaptierte Augen. Das Licht der Wolken ist ähnlich wie das Licht des „blauen Himmels“ polarisiert wie z.B. die Streuung aufsteigenden feinen Rauchs einer Zigarette.
Die LNW geben Aufschluss über die Strömungen in den obersten Schichten der Atmosphäre und ihre Beobachtung hat damit eine besondere Bedeutung. Diese sogenannten Schwerewellen lassen sich auf Zeitrafferaufnahmen sehr schön darstellen und bieten in dieser Höhe die einzige natürliche Möglichkeit, die Bewegung der Atmosphäre zu studieren. Sie bilden eine wichtige Rolle im Energietransport in der Atmosphäre.
Aus der Ähnlichkeit mit Cirrus-Wolken schlossen die Forscher schon frühzeitig, dass auch die LNW aus Eispartikeln gebildet werden. Die Höhe, in der die LNW entstehen, liegt im Bereich der sogenannten Mesopause. Dies ist der kälteste Bereich der Atmosphäre. Gleichzeitig sind dort nur minimale Wasserdampfmengen vorhanden, aber die extrem niedrigen Temperaturen von teilweise bis zu -100°C reichen aus, um diesen Wasserdampf gefrieren zu lassen. Bildlich gesehen umhüllt die Mesosphäre die Erde wie eine eiskalte Glaskugel, die beim Anhauchen sofort beschlägt. Dafür sind jedoch sogenannte Kristallisationskerne notwendig, an denen sich die Wassermoleküle anlagern können. Bei Raketenflügen inmitten der LNW enthielten Wolkenproben u.a. überwiegend Eisen und Nickel. Die größten dieser Teilchen sind etwa 0,1 – 1,0 µm groß, vermutlich rührt dieser Staub u.a. von Meteoren her. Etwas besser ist die jahreszeitliche Verteilung verstanden, aus der hervorgeht, dass die LNW nur im Sommer auftreten, wo die Temperaturen der Mesopause in polaren Breiten mit bis zu -150°C besonders niedrig liegen, und in diesen Höhen also genau die umgekehrten Verhältnisse wie am Erdboden vorliegen, was mit der atmosphärischen Zirkulation zusammenhängt. Die LNW entstehen demnach in polaren Breiten und wandern Richtung Äquator. Je weiter sie sich dem Äquator nähern, in desto wärmere Mesopausengebiete gelangen sie, was mit einer langsamen Auflösung der Eiskristalle und damit der LNW einhergeht. Eine mögliche Häufung der Sichtungen von Leuchtenden Nachtwolken wird nach neusten Forschungen u.a. mit dem NASA-Projekt „AIM“ (Aeronomy of Ice in the Mesosphere) u.U. mit den Folgen der Klimaerwärmung in Verbindung gebracht. Es sei jedoch betont, dass bis heute die genauen Entstehungsprozesse der Wolken nicht vollständig erforscht sind.
Auf der Aufnahme ist u.a. Capella im Sternbild Fuhrmann als heller Stern in der oberen rechten Ecke des Bildes erkennbar. Capella hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme eine Höhe von ca. 13,8°, die Wolkenobergrenze im Mittel 6° über dem Horizont. Zur gleichen Zeit stand die Sonne ca. 14° unter dem Horizont. Aus diesen Daten kann man die ungefähre Höhe der Wolken ermitteln. Meine persönlichen Berechnungen ergeben daraus 81 km Höhe, was sehr gut mit den wissenschaftlichen Messungen übereinstimmt.
Wir gratulieren Carsten Jonas zu diesem eindrucksvollen Fang!
Text: Jens Leich
Die einfachste Art der Astrofotografie ist die, eine digitale Kamera auf ein Stativ zu setzen und mit einem weitwinkligen Objektiv eine nächtliche Szene zu fotografieren. Während diese Methode früher noch belächelt wurde, weil der geringe Aufwand häufig zu sehr unspektakulären Ergebnissen führte, genießt sie derzeit eine gesteigerte Beliebtheit. Wobei hier die Grenzen zwischen Astrofotografie und Landschaftsfotografie fließend sind. Besonders gut geeignet ist diese Methode natürlich, um temporäre Ereignisse wie Meteorströme, Kometen, Finsternisse, Konstellationen oder wie hier die Leuchtenden Nachtwolken aufzunehmen. Bei dieser Art der Astrofotografie muss man sich recht genau überlegen, welche Kameraeinstellungen man wählt. Selbst bei der hier verwendeten Brennweite von nur 35 mm muss man aufpassen, dass die Sterne auf Grund der Erdrotation nicht zu Strichen verschmieren. Bei genauer Betrachtung des Bildes erkennt man, dass das bereits geschehen ist und die Sterne leicht elongiert erscheinen, was aber angesichts des Hauptaugenmerks bei diesem Motiv keine Rolle spielt. Es gibt zwar Faustregeln für die maximale Belichtungszeit bei gegebener Brennweite (abgesehen davon, dass man die Belichtungszeit natürlich sehr genau berechnen kann), jedoch wird jeder halbwegs erfahrene Astrofotograf wissen, wo in etwa die Grenzen liegen, bzw. kann man diese durch einfaches Ausprobieren für sich selber herausfinden. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die lichtsammelnde Fläche des Objektives, die über die Blende gesteuert werden kann. Bei weit geöffneter Blende hat man eine große Lichtsammelfläche, muss jedoch mit optischen Fehlern rechnen. Bei der vorliegenden Aufnahme wurde ein Standard-Zoomobjektiv verwendet mit einer Offenblende von 2.8, dementsprechend kann man bei genauer Betrachtung in den Ecken des Bildes Bildfehler entdecken. Auch hier muss der Fotograf wieder entscheiden, welchen Kompromiss er eingeht. In dem Fall hätte vermutlich jeder die Offenblende gewählt, da das Hauptaugenmerk nicht auf den Sternen liegt, sondern auf den Wolken mit dem schönen Vordergrund. Als dritter Faktor kommt noch die ISO-Einstellung ins Spiel. Hier könnte man am meisten zu schreiben, es ist das Thema, welches am häufigsten diskutiert wird, und wo es die größten Missverständnisse und Glaubenskriege gibt. Rein theoretisch ist es völlig egal, ob man ein solches Foto mit einer niedrigen ISO-Zahl schießt und die Helligkeit nachhinein anpasst oder ob man eine höhere ISO-Einstellung wählt und die Helligkeit nicht weiter anpasst. Der Rauschbetrag müsste in beiden Fällen gleich sein. In der Tat gibt es Kameras, die ein solches Verhalten aufweisen, während andere Kameras ihr bestes Rauschverhalten bei bestimmten ISO-Zahlen zeigen. Unter den Begriffen ISO-Invarianz oder ISOless Cameras/Sensors findet man viel Lesestoff im WorldWideWeb.
Neben all diesen technischen Aspekten spielen bei einem solchen Bild aber andere Faktoren eine größere Rolle, nämlich der Augenblick, die Stimmung, die Bildkomposition und das Händchen bei der Bildbearbeitung. All das hat Carsten Jonas perfekt eingefangen und wir können ihm zum tollen Bild und zum AdW gratulieren.
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