41. Woche - NGC 5907, die edge-on-Galaxie im Draco

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Wir bringen heute ein extragalaktisches Objekt, das in der Fachwelt schon für hitzige Diskussionen geführt hat: Die Spiralgalaxie NGC 5907. Dazu weiter unten mehr. Unser Bildautor John Henkel ist neu hier in der Runde der AdW-Astrofotografen, daher ein herzliches Willkommen!
Die Aufnahme entstand in den sechs Nächten vom 22.-28.03.2022. Aufnahmeort war Karlsruhe. Als Teleskop wurde ein Takahashi FC100DZ eingesetzt, mit 100 mm Öffnung und 830 mm Brennweite. Die Kamera dazu war eine ZWO ASI533MC Pro (color). Da die Himmelsqualität nicht allzu berauschend war (Bortle: 5,5), wurde ein Neodym-Filter von Baader eingesetzt mit dem Ziel, den Kontrast zwischen Himmel und Objekt zu steigern. Belichtet wurde insgesamt 31 h 40 min mit 950 Einzelbelichtungen zu je 2 Minuten. Für die Bildbearbeitung wurden PixInsight und Photo Shop verwendet. Das gezeigte Bildfeld misst 27,2' x 16,6' und Norden liegt auf 13:30 Uhr.
Das AdW zeigt die Galaxie NGC 5907 in Kantenlage (edge-on). Als Typ wird SA(s)c angegeben in der NASA Extragalactic Database. Was wunderschön herauskommt, ist der gelbliche Bulge und die zahlreichen von Staub durchsetzten Spiralarmzonen in der Äquatorebene der Galaxie. Wie weit ist sie entfernt? Die Zahl der unterschiedlichen Entfernungsangaben ist beträchtlich. Hier fürs AdW sollen einmal 15,87 Mpc angenommen werden, das ist der Mittelwert aus 13 Messungen aus den Jahren nach 2000. Die NED gibt einen Galaxiendurchmesser von 12,8' an. Im AdW selbst lässt sich unmittelbar 12,6' x 1,4' nachmessen. Damit ist NGC 5907 eine sehr große Galaxie mit einem wahren Durchmesser von 58 kpc bzw. fast 190.000 Lj.
Rechts außen bemerkt man eine kleine blaue Zwerggalaxie, fast schon am rechten Rand. Dies ist LEDA 54419, ein echter Begleiter von NGC 5907. Der Zwerg wird als Blue Compact Dwarf bezeichnet, weist also eine kräftige Sternentstehung auf. Er hat eine Radialgeschwindigkeit von 710 km/s, was dem Wert von NGC 5907 mit 666 km/s recht nahe kommt. Demzufolge sind beide benachbart. Etwa 1,5° südwestlich von NGC 5907 (hier natürlich nicht im Bild) liegt M 102 (= NGC 5866). Auch sie hat eine Radialgeschwindigkeit ganz in der Nähe von NGC 5907, nämlich 757 km/s. NGC 5907, M 102 und LEDA 54419 bilden eine echte kleine Gruppe.
Sehr tiefe Aufnahmen zeigen, dass NGC 5907 von einem riesigen Sternstrom umgeben ist. Dieser Sternstrom dürfte große Ähnlichkeit mit dem größten Sternstrom unserer Milchstraße haben: mit dem „Sagittarius Stream“. Diese Vermutung äußern Fachastronomen schon längere Zeit. Der Strom um NGC 5907 erfuhr eine riesige Aufmerksamkeit in einer Arbeit von D. Martinez-Delgado et al. Aus dem Jahre 2008, als ein Bild des Astrofotografen Jay Gabany eine korkenzieherähnliche Doppelstruktur offenbarte. Sensationell!!! Wie sich inzwischen jedoch herausstellte, ist dieses aufsehenerregende Bild jedoch falsch. Das Original ist angeblich nicht mehr auffindbar. Die bekannte Astronomengruppe um Piet van Dokkum (Projekt Dragonfly) zeigte in einer wirklich seriösen und überzeugenden Forschungsarbeit aus dem Jahre 2019, dass der Sternstrom in der Form von Martinez-Delgado und Gabany so nicht stimmen kann und dass insbesondere keine doppelte Korkenzieherstruktur vorliegt (siehe Zusatzbild). Martinez-Delgado wurde vorgeführt …
Anmerkungen:
a) John schreibt: „Herausfordernd war die geringe Apertur von f/8,3 (=Öffnungsverhaeltnis 1:8,3) bei diesem „dimmen“ Objekt. Auf einer Einzelaufnahme war daher nur wenig an Signal vorhanden. Da das Objekt bei 830 mm Brennweite doch recht klein ist, wurde ein 2xDrizzle durchgeführt. Das eingesendete Bild ist in Originalgröße.
b) Die Farbgebung der Sterne ist eher etwas zurückhaltend, weniger an Farbsättigung ist aber gar nicht so schlecht! Dennoch sind gelbe und bläuliche Sterne auszumachen.
c) Ein Neodym-Filter wurde eingesetzt. Das chemische Element Neodym (lat.: Neodymium) gehört zu den so genannten „Seltenen Erden“. Was der Filter bewirkt, wird bei Baader wie folgt erklärt: „Drastische Kontraststeigerung für alle Spiegelteleskope, ohne Verlust an Bildhelligkeit! Dieses Filter geht zurück auf eine Entwicklung von Carl Zeiss. Der Effekt des Elements Neodymium als Filtermaterial ist sehr beeindruckend. Als Beimischung zu optischem Glas steigert es Kontraste, verstärkt den roten Farbanteil im Bild (besonders bei Mars u. Jupiter) und es dunkelt gleichzeitig nachts denjenigen Spektralbereich ab, der besonders unter Straßenlampenlicht leidet, und der am meisten für das nächtliche "Skyglow" verantwortlich ist.“ Nun, da bleiben sicherlich etliche Fragen offen … Immerhin wird in einer Filterkurve ersichtlich, dass der Spektralbereich um die gelbe Natriumlinie deutlich abgesenkt ist.
Einen herzlichen Dank an John Henkel für dieses schöne Astro-Motiv, welches in der Auflösung recht gut ist (um 1,9 Bogensekunden) und daher viele Details offenlegt. Und wir gratulieren ihm darüber hinaus vielmals zum Astrofoto der Woche!
Peter Riepe
Bildautor: John Henkel
Koordinaten von NGC 59078 (J2000.0):
RA = 15 h 15 min 53,7 s, Dec = +56° 19' 44''
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