41. Woche - NGC 6992 und 6995, der Ostteil des Cirrusnebels

Im Sternbild Schwan liegt das Musterbeispiel für einen Supernovarest (SNR): der Cirrusnebel, Überrest einer gewaltigen Sternexplosion. Im heutigen AdW ist von diesem riesigen, sphärischen Objekt mit 3° scheinbarem Durchmesser nur der Ostteil abgebildet. Es handelt sich um NGC 6992 + NGC 6995. Norden ist rechts, Osten oben. Das Bildfeld beträgt 84' x 56'. Bildautor Thomas Wahl nahm diese Nebelpartie an seiner Sternwarte in Oer-Erkenschwick am Südrand des Münsterlandes auf. Im Süden liegt das lichtverseuchte zentrale Ruhrgebiet mit den Städten Recklinghausen, Gelsenkirchen, Herne, Bochum und Dortmund. Daher verwendete der Bildautor schmalbandige Interferenzfilter. Am 24. und 25.08.2019 entstand eine Bildserie mit einem Takahashi-Reflektor (Epsilon 160, f = 530 mm, Apertur f/3,3). Als Kamera nutzte er eine ASI 183MM Pro bei -45°C. Die Filter von Baader sind: Hα mit 3,5 nm HWB, [OIII] mit 7 nm und [SII] ebenfalls mit 7 nm. Belichtet wurde 16 x 600 s Hα, zugeordnet dem Grünkanal, 8 x 600 s [OIII], zugeordnet dem Blaukanal und 8 x 600 s [SII], zugeordnet dem Rotkanal. Dieses Farbverfahren ist als „Hubble-Palette“ bekannt geworden. Selbstverständlich kann man diese Filterzuordnungen auch nach eigenem Gutdünken vornehmen.
Was ist über das Objekt selbst bekannt? Das bei der Supernovaexplosion hinausgeschleuderte Gas expandiert, d.h. es breitet sich mit rund 180 Kilometern pro Sekunde nahezu kugelförmig aus. Dabei stößt es mit der umgebenden interstellaren Materie zusammen und formt ein Gebilde aus leuchtenden Filamenten und Nebelfetzen. Die Entfernung des Cirrusnebels beträgt rund 540 pc (1760 Lj). Das Alter liegt bei etwa 150.000 Jahren. Der bogenförmige Nebelbereich im AdW heißt NGC 6992. Er wurde 1784 von Wilhelm Herschel mit einem 47,5-cm-Spiegelteleskop entdeckt. Der südlichste Teil von NGC 6992 ist als NGC 6995 katalogisiert und wurde 1825 von John Herschel, dem Sohn Wilhelms, mit dem Teleskop seines Vaters entdeckt.
Anmerkungen: Ein Bild nach der Hubble-Palette herzustellen, bedeutet zu experimentieren. Die erreichte Farbe hängt u.a. davon ab, welche Belichtungszeiten für die Filterungen verwendet wurden, welche Halbwertbreiten die Filter haben und in welchem Verhältnis die Summenbilder der Farbkanäle zusammengestellt werden. Auch gibt es die Möglichkeit, etwa [OIII] je zur Hälfte dem Blaukanal und dem Grünkanal zuzuordnen. Egal, was man macht: Das Ergebnis einer solchen Schmalband-Zusammenstellung ist immer ein Falschfarbenbild, jedoch mit dem Ziel, die unterschiedlichen chemischen Elemente in ihrer lokalen Verteilung im Nebel sichtbar zu machen. Also: wo steckt der Wasserstoff, wo der Sauerstoff und wo der Schwefel? Klar sollte auch sein, dass bei den gewählten Filtern nicht alle Elemente „richtig“ erfasst werden. So kommt z.B. die zweite Wasserstofflinie, die blaue Hβ-Linie, durch keinen der gewählten Filter hindurch. Sie aber kann dem Nebel eine etwas andere Formgebung verleihen, weil blaues Licht im Zusammenhang mit Staub beispielsweise anders gestreut wird als rotes Licht. Was aber diesem Bild definitiv fehlt, ist der Stickstoff. Die Halbwertbreite von 3,5 nm für Hα schneidet die Emissionen des [NII] stark ab. Bei 6 nm wäre der Hα-Filter für Hα + [NII] durchlässig, so dass der Stickstoff, der in Supernovaresten immer sehr stark vertreten ist, das Nebelbild merklich ändern würde.
Das Bildergebnis ist technisch sauber und farblich überzeugend. Die effektive Bildauflösung beträgt 5 px (vermutlich nach Schärfung/Dekonvolution), was bei einem Bildmaßstab von 0,925 arcsec/px einem Auflösungswinkel von 4,6''entspricht und sicherlich vom Seeing beeinflusst wurde. Auch die lichtschwachen Teile von NGC 6995 kommen sehr schön zur Geltung. Wir bedanken uns für dieses gelungene Motiv und gratulieren zum AdW.
Peter Riepe
Objektkoordinaten (Epoche J2000.0):
RA = 20 h 56 min 19 s, DEK = +31° 44' 36''
Bildautor: Thomas Wahl
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