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41. Woche - Sh2-63 und sein Umfeld

| Astrofoto der Woche

In dieser Woche 41 dürfen wir ein Bild präsentieren, das als Motiv außergewöhnlich ist mit ebensolchen Objekten. Hans Jürgen Mayer, Mitglied der VdS-Fachgruppe Astrofotografie, hat es im Oktober 2022 in Fuente del Albarico/Andalusien aufgenommen. Das geschah mit leichter Ausrüstung. Als Kamera kam die bewährte Canon EOS 1300Da mit dem Objektiv Canon EF200 f/2,8 zum Einsatz. Für die Bilderserie wurde allerdings auf 3,5 abgeblendet, um eine bessere Abbildungsleistung bis in die Bildecken zu erzielen. Bei ISO 800 wurde insgesamt 14,4 h belichtet. Die Bildbearbeitung geschah mit Theli, PS CS4, Images+, starnet++ und PixInsight. Das Bildfeld misst etwa 6° x 4,2° mit Norden oben, Osten links.

Zum gezeigten AdW. Wir befinden uns im Sternbild Schütze. Am auffälligsten ist der Hintergrund des Motivs: eine strähnige Formation von schwachem Reflexionsmaterial - galaktischer Zirrus.  Der hellste Teil dieser Nebellandschaft ist Sh2-63, der im Lynds-Katalog heller Nebel auch als LBN 86 katalogisiert wurde. Steward Sharpless publizierte 1959 im Astrophysical Journal Supplement Band 4, Seite 257, seine Forschungsarbeit "A Catalogue of H II Regions". Darin geht es um 312 HII-Regionen bis zur Deklination -27°. Da sich der Katalog laut dem Autor allein um HII-Regionen dreht, sieht Sharpless sein Objekt Nr. 63 klar als HII-Region an. Wir dürfen uns nicht weiter wundern: Die Datenbank Simbad führt den Nebel ebenfalls als HII-Region, weil sie keine eigenen Forschungen anstellt, sondern das wiedergibt, was die Fachastronomen publizieren bzw. publiziert haben. Sh2-63 wird im Lynds-Katalog "Catalog of Bright Nebulae" ebenfalls als heller Nebel bzeichnet. Jedoch ist Frau Lynds - anders als Steward Sharpless - vorsichtiger in der Beurteilung der Objektnatur. Sie schreibt, dass ihr Nebel Nr. 86 farblich sowohl auf der Rotplatte als auch auf der Blauplatte gleich hell erscheint. Menschenskind ... das waren ja doch recht seltsame Zeiten, in denen die Astronomen die Objektfarben allein aus der Intensität auf ihren blau- und rotempfindlichen Platten oder aus spektralen Untersuchungen ableiten konnten. Farbmaterial gab es damals zwar auch schon, aber damit waren je nach Emulsionsart und Entwicklungsprozess deftige Unterschiede in der Farbwiedergabe zu verzeichnen, die zudem noch durch den Schwarzschildeffekt bei unterschiedlichen Belichtungszeiten und Lichtstärken der Optiken problematisch wurden. Das ist heute zum Glück völlig anders: Der Amateur verfügt wie die Profis über digitale Sensoren, die erheblich genauer arbeiten als damals die Platten und Filme. Und so zeigt das AdW eindeutig, dass Sh2-63 alias LBN 86 keinesfalls eine HII-Region ist, sondern ein Reflexionsnebel. Er wird insbesondere durch den benachbarten galaktischen Bulge unserer Milchstraße angestrahlt, so dass vorzugsweise weißliche bis bräunliche Farben die Reflexionsnebelnatur offenbaren. Sharpless fand überdies auch keinen heißen, blauen Stern vom Spektraltyp O bzw. B, der als anregender Energielieferant hätte dienen können. Der hellste blaue Stern im Feld liegt ca. 80' südlich des Zentrums von Sh2-63. Es ist der Stern g Sgr, dessen Spektraltyp mit B-V = 0,06 mag zwar ähnlich blau wie Wega ist, der aber für die Ionisation von Sh2-63 nicht in Frage kommt.

Die Form von Sh2-53 ist eher rundlich, mit zwei hellen Bogenstrukturen im Südwestbereich. Es stellt sich sofort die Frage, warum dieser Nebel so deutlich aus dem streifigen Muster des galaktischen Zirrus herausfällt und sozusagen eine "eigene Struktur" darstellt. Möglicherweise hängt das mit dem Molekülwolkenkomplex MBM 159 zusammen, dessen Zentrum sich etwa 0,9° nordöstlich der Mitte von Sh2-63 befindet. MBM 159 wurde von den Astronomen Magnani L., Blitz L. und Mundy L. gefunden: "Molecular gas at high galactic latitudes", Astrophys. J. 295, 402-421 (1985). Nach deren Berechnungen ist die Wolke rund 720 Lichtjahre entfernt - das ist relativ nahe.

Der helle Fleck in der rechten Bildmitte ist eine Galaxie, genauer: die Zwerggalaxie NGC 6822.  Sie misst im Bild rund 19,5' x 16,9' - in Simbad werden 13,8' x 12,9' angegeben. Aber das kennen wir ja bereits ... NGC 6822 ist vom Typ IBm, das heißt: es handelt sich um eine irreguläre Balkengalaxie der Magellanschen Art. Daher verfügt sie auch über sehr viele blaue Sternassoziationen und HII-Regionen. Letztere sind aufgrund der kurzen Aufnahmebrennweite aber nicht erkennbar. NGC 6822 ist rund 1,6 Mio. Lichtjahre entfernt.

Anmerkung: An diesem AdW gefällt mir die gute, nicht übertriebene Wiedergabe des galaktischen Zirrus mit guten Farb- und Helligkeitsabstufungen. Und die Sternfarben sind alle stimmig!

Das AdW-Team dankt Hans Jürgen Mayer, der momentan wieder in Andalusien ist, ganz herzlich für diese technisch perfekte Aufnahme mit einem Motiv, welches man in dieser Machart selten zu Gesicht bekommt. Darüber hinaus gratulieren wir ganz herzlich zum gelungenen Astrofoto der Woche!

 

Peter Riepe
Bildautor: Hans Jürgen Mayer

 

 

Koordinaten (J2000.0) von Sh2-63:
RA = 19 h 57 min 42 s,   Dec = -14° 07' 00"

 

 



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