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46. Woche - Sh2-155 am Nordwestrand der Cepheus-Molekülwolke

Fotografiert von: Gerald Willems | | Astrofoto der Woche

Im Cepheus sitzt eine markante Molekülwolke, deren Nordwestbereich die aktive Zone Cepheus B bildet. Hier trifft die Sternassoziation Cepheus OB3 mit der Molekülwolke zusammen. Typisch ist im optischen Erscheinungsbild eine von heller und dunkler interstellarer Materie geprägte Zone mit jungen, heißen Sternen. Der dunkle Körper dieses Molekülwolkenteils erscheint fälschlicherweise wie eine Höhle, deren Ränder hell in Hα leuchten. Diese Form hat dem Objekt im amerikanischen Sprachraum den Namen „cave nebula“ (= Höhlennebel) eingetragen. Von einer Höhle kann jedoch keine Rede sein, im Gegenteil: Hier liegt eine starke molekulare Verdichtung vor. Solche „hübschen Namen“, die astronomisch gar nichts aussagen und von denen es noch viele mehr gibt, sind daher eher fragwürdig. Sachgerechter sind die üblichen, nüchternen Katalognummern der Fachastronomie. Hier ist es der Emissionsnebel Sh2-155, also der Nebel Nr. 155 aus dem zweiten Sharpless-Katalog.

Das aktuelle AdW zeigt Norden oben und Osten rechts, wie astronomisch üblich. Die Größe des Gesichtsfeldes beträgt ca. 41´ x 41´. HII-Regionen werden generell durch heiße, junge Sterne mit starker UV-Strahlung zur Emission angeregt. Bei Sh2-155 sind das im Wesentlichen: 1) HD 217061 an den Pixelkoordinaten 943/727 mit dem Spektraltyp B1 und V = 8,80 mag, 2) viel energiereicher ist der O7-Stern HD 217086 mit V = 7,66 mag bei 922/488. Beide stehen offensichtlich hinter der Molekülwolke, so dass ihre Strahlung die Wolke von der hinteren Hemisphäre her trifft und zur Emission bringt. Dadurch werden für uns die leuchtenden Ränder (bright rims) der Molekülwolke als Kontraststreifen sichtbar. An den Pixelkoordinaten 1142/1175 ist der Riesenstern HD 216945 zu sehen, mit visuellen 6,54 mag und einem Spektraltyp K2. Er hat mit dem Sternentstehungsgebiet nichts zu tun, sondern steht uns mit 240 Lj Entfernung zehnmal näher als Sh2-155. Die Entfernung des anregenden O7-Sterns HD 217086 wurde zu ungefähr 2400 Lj bestimmt, was dann auch etwa der Nebelentfernung entspricht. Vom galaktischen Zentrum ist das Objekt aber viel weiter entfernt, nämlich 33.500 Lj. Damit zählt Sh2-155 zu den HII-Regionen im Außenbereich der Milchstraße.

Bildautor ist Gerald Willems (Fachgruppe Astrofotografie). Er schreibt: „Es waren vier Nächte notwendig um alle Daten zusammen zu bekommen. Die erste Nacht war durch beste Bedingungen geprägt. Bei den drei weiteren Nächten störten sehr dünne hochnebelartige Wolkenschlieren. Daher waren Aufnahmen im Schmalbandbereich besonders sinnvoll.“

Die Aufnahmen entstanden in Lilienthal bei Bremen an einem 14-Zoll-Newton, Öffnungsverhältnis 1:3,4. Die CCD-Kamera war eine Atik 4000 M. Belichtung: 35 x 10 min mit Hα-Filter, 12 x 10 min mit [OIII]-Filter und 12 x 10 min mit [SII]-Filter. Alles geschah ohne Binning. Das dargestellte Bild in Farben der Hubble-Palette steht auch als Bicolor-Version zur Verfügung (hier klicken). Das AdW-Team gratuliert herzlich!

Text zum Objekt und Aufnahmedaten: Peter Riepe

In dieser Woche zeigt das AdW ein Objekt in zwei verschiedenen Bildausarbeitungen. Die Aufnahmen wurden mit schmalbandigen Linienfiltern gemacht und dann in unterschiedlicher Weise zu einem Farbbild vereint. Die beliebteste Variante stellt dabei die sogenannte Hubble Palette dar, benannt nach speziellen Aufnahmen mit dem Weltraumteleskop Hubble, deren Bildästhetik bekannt und beliebt geworden sind. Dabei werden die verschiedenen Schwarzweißbilder eingefärbt und zu einem RGB-Bild verarbeitet. Die Farbzuordnung (englisch Tonemapping) ist dabei wie folgt: Hα wird dem Grünkanal zugeordnet, [SII] dem Rotkanal und [OIII] dem Blaukanal. Folglich erscheinen diese Bilder überwiegend grün, da in den meisten Fällen der Hα-Kanal das stärkste Signal liefert. Die Software Adobe Photoshop bietet mit der selektiven Farbkorrektur ein mächtiges Werkzeug, um diese Farben dann noch weiter zu trimmen. Häufig wird dabei der Grünton völlig ersetzt und stattdessen eine goldfarbene Darstellung gewählt. Man kann es so machen, muss es aber nicht, weil es sich ja sowieso um Falschfarbendarstellungen handelt.

Die Bicolor-Technik benötigt nur zwei Kanäle, Hα wird dem Rotkanal zugeordnet und [OIII] dem Blaukanal. Der Grünkanal wird dann aus beiden synthetisiert. Folglich sind diese Bilder überwiegend Rot, mit vielen Magenta-Abstufungen. Man sollte sich auch darüber klar sein, dass dies keine astronomisch richtige Darstellung ist, weil der gemischte Bildinhalt aus Hα und [OIII] astrophysikalisch nicht der Wirklichkeit entspricht, weil so dem Grünkanal Bildinformationen zugeordnet werden, die es nicht gibt: Das Spektrum hat im Grünen einen anderen Inhalt. Aber auch hier gilt: Es handelt sich um eine Falschfarbendarstellung, daher kann man die Bicolordarstellung akzeptieren.

Farben spielen in der Bildwirkung eine große Rolle. Blau ist eine Farbe, die eher eine Tiefenwirkung erzeugt (Hintergrund) und Rot sehen wir im Bild vorne. So lässt sich eine räumliche Wirkung in Astrofotografien erzeugen. Dabei kommt es aber auch auf die Intensität der Farben an. Zarte Pastelltöne wirken üblicherweise eher "hinten". Und ein sehr zarter Rotton kann auch eine Hintergrundwirkung haben, vor dem sich eine andere kräftige Farbe dann räumlich abhebt. Es lohnt sich daraufhin Gemälde oder Fotografien großer Künstler genauer zu betrachten. Und natürlich kann man auch eine Astrofotografie länger betrachten und auf sich wirken lassen. Vielleicht spürt man dann, wie räumliche Wirkungen zustande kommen, und welchen Einfluss die Farben dabei haben können. Ob diese räumlichen Wirkungen die astronomischen Realitäten wiedergeben oder einen räumlich anderen (falschen) Aufbau suggerieren, soll hier nicht diskutiert werden.

Bei der Erstellung farbiger Aufnahmen mit Linienfiltern sind dem Astrofotografen also im Gegensatz zu (L)RGB-Aufnahmen viele künstlerische Freiheiten gegeben. Allerdings sollte man im Eifer nicht übertreiben, und vor allem auch den Himmelshintergrund im Auge halten. Dieser sollte auch in Falschfarbenbildern immer neutral grau und frei von Artefakten sein.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim, Dr. Stefan Binnewies und Peter Riepe


Objektkoordinaten (J2000.0):
RA = 22 h 56 min 50 s, DEK = +62° 36'


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