49. Woche - Infrarotsterne in Dobashi 3135

Das heutige AdW stellt eine Besonderheit dar, abweichend von den üblichen "pretty pictures". Wir blicken ins Sternbild Cepheus, an die Grenze zum Schwan. Zwei Vergleichsbilder von 38' x 44' Feldgröße zeigen jeweils ein identisches Sternfeld (Ausschnitt aus dem Original). Etwa in der Bildmitte liegt eine Dunkelwolke mit der Bezeichnung Dobashi 3135. Der Japaner Kazuhito Dobashi hat 2011 eine umfangreiche Untersuchung von Dunkelwolken publiziert, basierend auf dem 2 Micron All Sky Survey (2MASS).
Bildautor ist Werner E. Celnik, der in Rheinberg am Westrand des Rhein-Ruhrgebietes seine Gartensternwarte betreibt. Das linke Teilbild ist ein RGB und entstand mit einem 200-mm-Newton (f = 800 mm) am 14. und 15.10. sowie am 22.11.2017. Kamera war eine Canon 700Da ohne Filter. Die Bedingungen waren nicht optimal - was man vom Aufnahmeort auch nicht unbedingt erwarten darf. Belichtet wurde insgesamt 6,9 h in Einzelschüssen von je 3 Minuten. Das rechte Teilbild ist eine Kombination aus IR-gefilterten Aufnahmen mit dem RGB-Bild. Für den Infrarotbereich wurde ein 150-mm-Apochromat (f = 1100 mm) eingesetzt, mit Feldebnungsoptik (wer jetzt rätselt: hier ist ein „Flattener“ gemeint, denn es gab schon Astrofotografie vor der Anglizismen-Schwemme ...). Dazu kam ein NIR-Filter Schott RG 850. Dieser Kantenfilter (Hersteller: long wave pass filter) hat seine Kantenlage zum optischen Licht bei 850 nm (+/- 9 nm). Längere Wellenlängen werden schließlich vom Chip in seiner spektralen Empfindlichkeit begrenzt. Die Kombination von RG 850, Glastransmission und erweiterter Rotempfindlichkeit des Kamerasensors ergibt für die resultierende Empfindlichkeit über die Wellenlänge eine Glockenkurve mit der Zentralwellenlänge 878 nm und einer Halbwertsbreite von ca. 87 nm. Diese Kurve ist für R-, G- und B-Kanal nahezu identisch, daher können die Pixelinformationen aller drei Farbkanäle gemittelt werden. Kamera war eine Canon 1300D mit Ir-Umbau durch die Firma Astro-Shop. Zu den Zeiten wie oben genannt wurde insgesamt 13,5 h bei ISO 3200 belichtet, Einzelschüsse jeweils 8 Minuten. Beachte: Auch das Glas der Aufnahmeoptik hat eine wellenlängenabhängige Transmission. Wer sich für Bezugsquellen und Hinweise zur verwendeten IR-Technik interessiert, frage den Bildautor (Mailadresse oben).
Für die folgende technische Schilderung zitiere ich den Bildautor: "Alle Summenbilder wurden mit der Software Deep Sky Stacker 3.3.4 gestackt und im ersten Schritt kontrastbearbeitet. Die Weiterbearbeitung erfolgte in Adobe Photoshop CC 2018, Beseitigung von Gradienten im Bild, dazu Tonwert- sowie Farbkorrekturen. Für jede Nacht und jede Kamera wurde separat ein Summenbild erstellt und in Photoshop optimiert. Die Ergebnisbilder der einzelnen Nächte wurden anschließend für jede Kamera gemittelt, im Ergebnis hat man jeweils ein RGB-Bild und ein IR-Bild. Das IR-Bild wurde im RGB-Modus der Kamera aufgenommen. In Photoshop wurden nach der Bildbearbeitung die drei Farbkanäle separiert und anschließend gemittelt, um das Rauschen leicht zu reduzieren. Das ist möglich weil alle Kanäle im Nah-IR annähernd dieselbe Information zeigen. Das Ergebnis ist ein Graustufenbild. Der Rotkanal des RGB-Bildes wurde in ein Graustufenbild separiert und in Photoshop mit dem IR-Graustufenbild kombiniert, durch übereinanderlegen in Ebenen mit der Kombinationsmethode "Aufhellen". Für jedes Pixel bleiben die Helligkeitswerte im unten liegenden R-Kanal so bei der Kombination der Ebenen erhalten, es sei denn, die darüber liegende Ebene mit dem IR-Bild zeigt höhere Helligkeitswerte, dann werden jene Werte ins kombinierte Bild übernommen. So tauchen im kombinierten Bild nun zusätzlich zum R-Kanal die hellen IR-Quellen als tiefrote Objekte auf. Das kombinierte (IR+R)-Graustufenbild wurde danach wieder als R-Kanal ins RGB-Bild kopiert. Weil die Farbbalance des kombinierten (IR+R)-G-B-Bildes nun recht rotlastig geworden ist, wurde eine Farbkorrektur vorgenommen, um dieselbe Farbbalance wie im reinen RGB-Bild zu erhalten."
Der Vergleich beider Teilbilder zeigt, dass ganz bestimmte Sterne links zwar schon zu sehen sind, rechts aber durch die Verwendung der IR-Filterung wesentlich stärker hervortreten (hellblaue Markierungen). Dazu springen im Inneren der Dunkelwolke bzw. hinter ihr Sterne durch ihre tiefrote Farbe regelrecht ins Auge, die im linken Teilbild kaum oder gar nicht in Erscheinung treten (gelbe Markierungen). Die Dunkelwolke besitzt also im optischen Licht eine starke Absorption, die jedoch durch die Verwendung des IR-Filters wesentlich reduziert wird. Für infrarote Wellenlängen werden Dunkelwolken also transparenter. Der Bildautor schätzt den Helligkeitsanstieg auf bis zu 5 bis 10 mag. Man darf hier aber nicht vergessen, dass der verwendete Spektralbereich dem nahen Infrarot (NIR) zuzuordnen ist, das "eigentliche" Infrarot ist noch wesentlich langwelliger. Wer genau hinschaut, wird bemerken, dass die Dunkelwolke im IR-Bild etwas röter und heller erscheint als im RGB-Bild. Das liegt daran, dass auch im Inneren der Dunkelwolken geringfügige Emissionsprozesse für ein zartes IR-Leuchten bestimmter Moleküle sorgen.
Um die Gegend zuordnen zu können, ist hier noch eine Feldaufnahme beigefügt, grün umrandet das IR-Bildfeld (hier klicken). Sie entstand parallel zu den obigen Aufnahmen und im Sommer mit einer Canon 1300 D, IR-Umbau, und OWB-Clipfilter ("Original White Balance"). Bei ISO 400 wurde mit einem Objektiv Canon 1:2,8/200 mm bei Arbeitsblende 3,5 insgesamt 4 h belichtet. Hinzu kamen Aufnahmen mit einer Canon 5D Mk II ohne Filter und demselben Objektiv bei ISO 800 und Arbeitsblende 5,6. Sie wurden insgesamt 3,8 h belichtet, Einzelschüsse etwa 3 Minuten. Nicht zu vergessen: In den Sommermonaten herrschte am Aufnahmeort die allseits bekannte Mitternachtsdämmerung. Man sieht die Galaxie NGC 6946 sowie den Sternhaufen NGC 6936. Im linken oberen Teil erstreckt sich die Dunkelwolke Barnard 150, die in ihrem südlichen Verlauf diffus wird und dort als Dobashi 3135 katalogisiert wurde. Der helle Stern oben ist Eta Cephei.
Text zum Objekt und Aufnahmedaten: Peter Riepe
Digitale Kameras für den täglichen Gebrauch sind nur eingeschränkt für die Astrofotografie zu gebrauchen. Das liegt daran, dass vor dem lichtempfindlichen Chip Filter eingebaut sind, die Teile des Spektrums abschneiden, um einen natürlichen Bildeindruck zu gewährleisten. Es sind insbesondere die „Enden“ des (fürs menschliche Auge) sichtbaren Spektrums, also der nahe Infrarot- und der UV-Bereich, die abgeschnitten werden. Die verbauten Chips sind aber sehr wohl in der Lage diese Wellenlängen zu detektieren, auch wenn die Chips dort nicht ihre größte Empfindlichkeit aufweisen. Entfernt man nun diese Schutzfilter und benutzt z.B. spezielle Infrarotfilter, so kann man eine gewöhnliche DSLR-Kamera für die Fotografie im nahen Infrarot einsetzen. Genau das hat Werner Celnik bei der vorliegenden Aufnahme gemacht. Die so gewonnene Infrarotaufnahme wurde dann mit einem herkömmlichen Farbbild kombiniert. Das geschah exakt so, wie auch viele Astrofotografen vorgehen, um z.B. Hα-Aufnahmen mit Farbaufnahmen zu mischen. Dazu wurde der Rotkanal der Farbaufnahme separiert und anschließend die Infrarotaufnahme über diesen Rotkanal gelegt. In Adobe Photoshop gelingt das mit den sogenannten Misch(Blend)-Modi. Hier wurde der Blendmodus „Aufhellen“ benutzt, der belichtete Teile des Bildes verstärkt, unbelichtete jedoch nicht. Im Endresultat sieht man die Teile des Bildes, die im Infraroten sichtbar wurden, deutlicher (rot) hervortreten.
CCD- oder CMOS-Chips sind also nicht nur in der Lage schöne Bilder zu produzieren. Es sind Messgeräte, mit denen man einmal die Ortsauflösung von Objekten messen kann (Astrometrie) und die Intensität der Objekte (Fotometrie), letzteres sogar über den sichtbaren Bereich des Spektrums hinaus. Werner Celnik hat uns eindrucksvoll gezeigt, was man mit dem nötigen Wissen mit solchen Chips bzw. Kameras anstellen kann. Wir gratulieren zu diesem ganz besonderen Bild.
Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim
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Koordinaten (J2000.0):
RA = 20 h 44 min 53.5 s, DE = +58° 59' 53''