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5. Woche - NGC 869/884, der Doppelsternhaufen h/χ Persei

| Astrofoto der Woche

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Im Sternbild Perseus gibt es viele interessante Deep-Sky-Objekte, eines der bekanntesten ist der doppelte offene Sternhaufen NGC 869/884, der auch als h/χ Persei bekannt ist und der heute gezeigt wird. Bildautor ist Dirk van Uden, ein neuer Kollege hier in der Runde der AdW-Astrofotografen. Unser herzliches Willkommen! Die Aufnahmeserie entstand am 10.11.2021 in Pronsfeld (Eifel). Als Kamera wurde eine Farbkamera ZWO ASI2600MC Pro an einem Takahashi Epsilon 130D mit 430 mm Brennweite eingesetzt. Belichtet wurde 102 x 30 Sekunden incl. 2-Zoll-Filter IDAS P2. Dazu der Bildautor: „Ich wohne leider 1 km neben einer Molkerei, die sehr durch Licht stört.“ Weitere technische Details: Montierung Celestron CGX, MGEN2 Autoguider, Software PixInsight und Photoshop 2021. Das Bildfeld beträgt 3° x 2°. Norden liegt auf 1:20 Uhr.

Zum abgebildeten Objekt: NGC 869/884 ist einer der wenigen echten Doppelsternhaufen. Er gehört dem Perseusarm der Milchstraße an und liegt in der Assoziation Perseus OB1. Manchmal liest man, h/χ Persei sei das Zentrum dieser Assoziation. In Burnham´s Celestial Handbook wird berichtet, dass schon Hipparchus und Ptolemäus 150 v. Chr. h/χ Persei als nebliges Fleckchen am Himmel kannten. Seltsam ist, dass Charles Messier den Doppelsternhaufen (der schon mit bloßem Auge sichtbar ist) nicht in seinen Katalog aufnahm. Ähnlich helle Objekte wie die Praesepe oder auch die Plejaden dagegen sind mit Messier-Nummern M 44 bzw. M 45 vertreten.

C.L. Slesnick, L.A. Hillenbrand und P. Massey veröffentlichten 2002 im Astrophysical Journal 576, 880–893 ihre Forschungsergebnisse, die sie am 90-cm-Teleskop des Kitt Peak National Observatory gewonnen hatten. Als Detektor hatte man die „Mosaic Widefield Camera“ angeschlossen. Sie hat acht in Reihen angeordnete CCD-Chips des Typs SITe 2048 x 4096. Die damit nutzbare Fläche entspricht einem Chip von insgesamt 8192 x 8192 Pixeln – wohlgemerkt, Technik aus dem Jahre 2002. Mit dieser Kamera wurden Einzelaufnahmen mit den wissenschaftlichen Filtern U, B und V bei 360 nm, 440 nm und 550 nm für fotometrische Auswertungen angefertigt. Bei einem Seeing von 1,3'' und einer Auflösung von 0,43'' pro Pixel konnte daraus ein Farbenhelligkeitsdiagramm (FHD, siehe Zusatzbild 1) erstellt werden.

Die folgenden drei Abschnitte biete ich als Lesestoff für astrophysikalisch Interessierte an. Der reine „pretty pictures“-Fotograf darf diesen Text getrost überspringen.

Wozu ist ein FHD für Astrofotografen überhaupt nützlich? Es zeigt, wie sich die Sternhelligkeiten über die Farben der Sterne verteilen. Die Farben werden über den Farbindex B-V bestimmt. B-V errechnet sich sehr simpel als Differenz zwischen Blauhelligkeit B und visueller Helligkeit V. Diese Werte werden mit den entsprechenden Filtern fotometrisch gemessen und sind für viele Sterne in der Datenbank Simbad angegeben. Ein Stern mit B = 10,27 mag und V = 9,12 mag z.B. hat folglich B-V = 10,27 mag – 9,12 mag = 1,15 mag. Im FHD sind die Messwerte V und B-V für alle Sterne eingetragen, und zwar als Punkte. Die Punkte sind also keine Sterne, sondern Messwertepaare. Der grün umkringelte Stern hat beispielsweise V = 8,5 mag und B-V = 0,4 mag.

Was fangen wir damit an? Auf der unteren waagerechten Achse können wir die zugehörige Farbe ablesen. Dort habe ich passend zu den Farbindizes kleine Farbkreise als Sterne eingezeichnet, die den entsprechenden Farbton besitzen. B-V = -0,2 bis +0,2 mag sind knallblaue Sterne, weiße Sterne haben B-V = 0,62 mag, gelbe Sterne B-V = 1,3 mag und orange Sterne haben B-V = 1,5 bis 2,5 mag. Der Beispielstern von gerade hat mit B-V = 1,15 mag also eine hellgelbe Farbe. So kann der Astrofotograf aus dem Farbindex eines Sterns sofort seine Farbe ablesen.

Das FHD zeigt, dass die Sterne von h/χ Persei nicht wahllose Farben und Helligkeiten besitzen, sondern dass die Messwerte sich in einem locker besetzten, so genannten „Ast“ anordnen. Dieser Ast hier nennt sich die „Hauptreihe“. Die zugehörigen Sterne sind dann die „Hauptreihensterne“. Die roten Messpunkte beziehen sich auf Sterne in h Persei, die blauen Messpunkte auf Sterne in χ Persei, beide Äste fallen zusammen. Zur Eichung der Helligkeiten wurden zahlreiche Landolt-Sterne benutzt (A.U. Landolt: „UBVRI Photometric Standard Stars in the Magnitude Range 11.5 < V < 16.0 around the Celestial Equator”; Astronom. Journal 104, 340-371, 1992). Astrofotografen, die auch fotometrieren, kennen diese Landolt-Eichsterne!

Jetzt wieder Text für alle: Die Daten aus dem FHD ermöglichten anschließende Berechnungen, aus denen die Astronomen folgende Schlussfolgerungen ziehen konnten:

a) Beide Sternhaufen sind mit etwa 7650 Lichtjahren gleich weit entfernt.

b) Das Alter ist für NGC 869 und NGC 884 im Wesentlichen identisch, nämlich 12,8 und 12,9 Millionen Jahre. Das ist jung!

c) Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass die Einzelsterne von h/χ Persei in verschiedenen Schüben entstanden sind. Das bedeutet, dass der Doppelsternhaufen in einer einzigen Epoche entstand.

d) Die Masse von NGC 869 beträgt ~3.700 Sonnenmassen, NGC 884 hat ~2.800 Sonnenmassen.

Damit zählen h und χ Persei zu den massereichsten offenen Sternhaufen! Die Plejaden besitzen zum Vergleich nur ca. 320 Sonnenmassen. Der Supersternhaufen R 136 in der Großen Magellanschen Wolke kommt sogar auf 35.000 Sonnenmassen. Kugelsternhaufen sind noch um einen Faktor 10 bis 20 massereicher. Außerdem haben h und χ Persei etwa den gleichen Winkeldurchmesser von 30'. In der oben genannten Entfernung wäre das ein wahrer Durchmesser von jeweils 67 Lichtjahren. Das ist halb so groß wie ein durchschnittlicher Kugelsternhaufen! NGC 869 ist visuell 4,3 mag hell, NGC 884 mit 4,4 mag fast gleich hell. Beide Haufen sind nur 78´ voneinander getrennt. Wenn sie von uns tatsächlich gleich weit entfernt sind, dann beträgt ihr wahrer Abstand etwa 180 Lj.

Abgesehen von der Haufenmasse – wieviel Sterne stecken eigentlich in einem solchen offenen Sternhaufen? Schauen wir uns zunächst ein populärwissenschaftliches Buch an. Im Sky Catalogue 2000.0 von A. Hirshfeld und R.W. Sinnot (Vol. 2; Sky Publishing Corp. & Cambridge University Press 1985) werden 200 Sterne für NGC 869 angegeben, 150 für NGC 884. Diese Werte beziehen sich auf eine Sternzählung von G. Lynga aus dem Jahre 1983, basierend auf den fotografischen Platten des Palomar Observatory Sky Survey, nur für die hellsten Sterne. Sicherlich ist dies nicht genau genug, wenn man die Überlegenheit der heutigen CCD-Detektoren bedenkt. Die heutigen Sternzählungen erfolgen im Profi-Bereich über Bildauswertungssoftware. So haben die oben erwähnten Slesnick et al. ihre Sternzählungen in einem Histogramm dargestellt (siehe Zusatzbild 2). Für dieses Histogramm wurden alle Haufensterne zwischen rund 6 und 16 mag erfasst, und in Form von 0,25 mag breiten Intervallen wiedergegeben. Für jedes Intervall wurde die Zahl der darin vorkommenden Sterne aufgetragen. Es ist ganz einfach, das Histogramm zeigt: Die hellsten Sterne von 5,75 bis 8,75 mag liegen im senkrechten Teil des Hauptreihenastes und sind nur in sehr kleiner Zahl vorhanden. Je lichtschwächer die Sterne, desto mehr werden es im Sternhaufen. Zwischen 12,00 und 12,25 mag (orange Säule) gibt es bereits 50 Sterne. Das heißt: 50 Sterne – egal wo sie in h/χ Persei liegen – sind visuell zwischen 12 und 12,25 mag hell. Die maximale Sternhäufigkeit pro Intervall liegt zwischen 15,00 und 15,25 mag und umfassst 437 Sterne. Die Gesamtzahl der Sterne in h/χ Persei ergibt sich schließlich durch Addition der Sternzahl sämtlicher Helligkeitsintervalle. Wer möchte, kann ja nun einmal die Gesamtsternzahl von h/χ Persei durch Auszählen ermitteln. Interessanter Aspekt: Wenn die Sonne zum Doppelsternhaufen Persei verschoben würde, so hätte sie unter Berücksichtigung der interstellaren Absorption (visuell 1,7 mag) eine scheinbare visuelle Helligkeit von 18,4 mag. Das macht sie ja doch zu einem ziemlich unbedeutenden Sternchen. Und der Planet Erde … unsichtbar.

Anmerkungen:

a) Astrofotografen, schaut bitte noch einmal das FHD von h/χ Persei an. Knallblaue Sterne gibt es in h/χ Persei nicht. Die hellsten Sterne von 6 bis 12 mag haben durchweg Farbindizes B-V zwischen 0,25 und 0,5 mag, und das ist bläulich bis weißlichblau. Das muss bei der Farbkalibrierung in der Bildbearbeitung auch so herauskommen, damit wir keinen weißen, aber auch keinen blauen Sternhaufen erzeugen. Das wäre nämlich völlig daneben, weil dann die Wirklichkeit verletzt würde. Im vorliegenden AdW sind die Farben der Sterne gut realisiert, so kommt der Gegensatz zwischen hellen Roten Überriesen und weißlich blauen Haufensternen sehr schön heraus. Zwar scheint die Belichtungszeit mit 51 Minuten recht kurz. Allerdings sollte man die Lichtstärke des Teleskops nicht vergessen: Wäre die vorliegende Aufnahme nicht mit Blende 3,3 sondern mit Blende 5 gemacht worden, entspräche das einer Belichtungszeit von 117 Minuten. Außerdem hilft die Kühlung bei der erzielten Tiefe. Eine Abschätzung der Sternhelligkeiten anhand der Datenbank Simbad ergibt im AdW eine erreichte Grenzhelligkeit von 18,7 mag.

b) Die Aufnahme ist als Nebenprodukt betrachten, um die Zeit bis zum nächsten Motiv zu nutzen. Dirk van Uden schreibt: „Die Aufnahme entstand in einer Wartezeit, bis der (eigentlich geplante) NGC1499 hoch genug stand. Ich war aber doch überrascht, was nach der Belichtungszeit zu sehen war. Fast das gesamte Feld ist von einem sehr schwachen Nebel aus Staub durchsetzt. Teilweise meine ich zu erkennen, dass es Bereiche mit deutlicher Rötung der Sterne gibt. Hier werde ich bei Gelegenheit noch weitere Belichtungszeit investieren. Es lohnt sich den Hintergrund nicht zu weit herunter zu ziehen.“

Ein sehr gut umgesetztes Bild. Dafür einen herzlichen Dank an Dirk van Uden und die Gratulation des AdW-Teams zum Astrofoto der Woche.

Peter Riepe
Bildautor: Dirk van Uden

Koordinaten (J2000) für die Bildmitte:
RA = 02 h 20 min 50 s, DE = +57° 08' 04''

 

 

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