52. Woche - NGC 6822, eine Zwerggalaxie in der Lokalen Galaxiengruppe

Zwerggalaxien sind keine gängigen Astromotive, weil man die Winzlinge überwiegend als wenig attraktiv ansieht. Allerdings hängt die erzielte Bildwirkung ganz wesentlich vom Bildmaßstab, von der Auflösung bzw. Detailwiedergabe, von der richtigen Farbkalibrierung und insbesondere von der Belichtungszeit ab. Dieter Ludwig zeigt uns hier seine weitwinkelige Version der Zwerggalaxie NGC 6822 im Sternbild Schütze. Die Aufnahmeserie entstand am 19.08.2023 auf der Astrofarm Kiripotib in Namibia. Das Teleskop dazu war ein Photonewton 200 mm/800 mm von Lacerta, zusammen mit einer Farbkamera ZWO ASI2600MC. Namibia hat einen bekanntlich dunklen und transparenten Himmel, so dass zwei Stunden Belichtungszeit bei Blende 4 schon einige Einsichten erbrachten. Weitere technische Details: Montierung war eine Skywatcher EQ6-R Pro, dazu ein Fokussierer LacertaMFOC. Die Bildbearbeitung erfolgte komplett in PixInsight. Die Autokorrektur lief über einen Off-Axis-Guider. Dieter Ludwig schreibt: "Bei meinem fünften Aufenthalt auf Kiripotib und nachdem ich 16 Kugelsternhaufen des Messierkatalogs, sowie zum Größenvergleich noch NGC 104 und NGC 5239 aufgenommen hatte, hat mich ein anderer Gast auf die Zwerggalaxie aufmerksam gemacht. Sicher hätte sie noch mehr Belichtungszeit verdient. Aber da standen auch noch andere Objekte auf der Liste, welche ich mir vorgenommen hatte."
NGC 6822 wurde von E. E. Barnard visuell entdeckt, vermutlich mit seinem 5-Zoll-Refraktor. Die Mitteilung darüber geschah in "The Sidereal Messenger 3, p. 254 (1884)". Im langbrennweitigen Sechszöller konnte Barnard das nebelige Objekt nicht sehen (Anmerkung: wegen des schlechteren Öffnungsverhältnisses). Daraufhin vermutete er, dass es sich um einen variablen Nebel handeln könnte, denn er schrieb in dem o.g. Artikel: "Es (das Objekt) erscheint mit Sicherheit viel größer und dichter als letztes Jahr und ich denke mit Sicherheit, dass es sich seitdem in Abmessungen und Dichte vergrößert hat. Wäre es (das Objekt) immer schon so groß und hell wie jetzt gewesen, dann kann ich nicht begreifen, wie Beobachter es verfehlen konnten, als sie G.C. 4510 (den hellen PN NGC 6818 etwa 40' nordwestlich) untersuchten. Wahrscheinlich ist dies ein variabler Nebel", so zitiert in: E. P. Hubble: N.G.C. 6822, a remote stellar system; Astrophys. J. 62, 409-433 (12/1925).
Hubble selbst schrieb, nachdem erste Aufnahmen am 100-Zöller auf Mt. Wilson vorlagen: "N.G.C. 6822 ist ein lichtschwacher, irregulärer Sternhaufen mit einigen darinliegenden kleinen Nebeln. Das generelle Erscheinungsbild ist auf der fotografischen Platte XIV zu sehen (Zusatzbild 1), aus einer 3,5-stündigen Belichtung (mit dem 100-inch-Reflektor) herausvergrößert. Die vom Objekt bedeckte Fläche beträgt 20' x 10', aber das auffälligste Detail ist ein Kerngebiet von 8' x 3', in dem sich die Sterne dicht scharen. Die Fotografien zeigen eine überraschende Ähnlichkeit zu den Magellanschen Wolken ... Cepheiden, diffuse Nebel, Abmessungen, Dichte und Verteilung der Sternhelligkeiten legen übereinstimmend nahe, das System (NGC 6822) als hoffnungsvolle Kopie der Magellanschen Wolken zu definieren, jedoch reduziert auf eine immens größere Entfernung. N.G.C. 6822 liegt weit außerhalb der Grenzen der Galaxis, wie sogar durch die Kugelsternhaufen angezeigt wird. So mag sie als ein Meilenstein dienen für Spekulationen über die Objekte des jenseitigen Raumes."
Was wissen wir heute über NGC 6822? Zunächst handelt es sich um eine irreguläre Galaxie, d.h. sie besitzt eine unstrukturierte Fläche, ohne erkennbare Symmetrien oder gar Spiralarme. Ihre Distanz zur Milchstraße liegt nach Karachentsev et al. (2004) bei 500 kpc (etwa 1,63 Mio. Lj). Damit gehört sie zur "Lokalen Galaxiengruppe" um die Milchstraße und den Andromedanebel. Ihre Leuchtkraft ist etwa 250-mal geringer als die der Milchstraße. Irreguläre Kleingalaxien kamen bisher noch nie in den wirkenden Graviationbereich größerer Galaxien, so dass es nie zu einem Gasverlust bei nahen Vorübergängen oder Halo-Durchkreuzungen kam. Insofern ist es verständlich, dass in NGC 6822 mit ihrem internen Gas auch Sternentstehung ablief. Die Folge davon waren HII-Regionen in den Sternentstehungsgebieten. Einige davon sind so groß, dass man sie den "giant extragalactic HII regions" (GEHRs) zuordnet. Die im Zusatzbild 1 markierten größeren Nebel sind Hubble I, II, III. Wie man auf dem AdW vergleichend feststellen kann, sind II und III rötliche Blasennebel mit blauen Sternen oder Sternhaufen im Zentralgebiet (dazu stark ins Original hineinzoomen!). Weiterhin sind am Nordrand von NGC 6822 noch Hubble V und Hubble X als helle, bläuliche Nebel zu erkennen. Wie groß sind diese Nebel? Messen wir für die große blasenförmige HII-Region Hubble III den Durchmesser, so ergeben sich 46 Pixel. Das entspricht bei einem Bildmaßstab von 1,086"/px einem Winkeldurchmesser von 50", was bei der Entfernung von 1,63 Mio. Lj einem wahren Durchmesser von 395 Lj gleichkommt - tatsächlich eine GEHR.
Und wie groß ist NGC 6822 selbst? Ihre Außengrenzen gehen in den Hintergrund der Milchstraße über, so dass sie nur schwer auszumachen sind. Eine gute Abschätzung kann man jedoch aus dem kontrastverstärkten Zusatzbild 2 gewinnen. Dort zeigt sich NGC 6822 als Galaxie mir rundlichem Halo. Und der Durchmesser ergibt sich zu 980 px = 1064" = 17,7' = 8390 Lj - passend für eine irreguläre Zwerggalaxie. Was aber verblüffenderweise noch auffällt: NGC 6822 liegt in einem Himmelsabschnitt mit deutlich durchziehendem galaktischen Zirrus!
Anmerkungen: Auch wenn nur 2 Stunden Belichtungszeit für Blende 4 gewählt wurden, zeigt dieses Bild von Dieter Ludwig schon bemerkenswerte Details in NGC 6822. Klar, eine längere Belichtung hätte insbesondere den H-Alpha-Anteilen der Nebel gut getan. Vielleicht stellt der ein oder andere Astrofotograf jetzt aber auch fest, dass Schmalbandfilterungen vorteilhaft sind. Vielleicht erhalten wir ja einmal eine solche Aufnahme als AdW vorgelegt.
Dieter Ludwig vielen Dank für die schöne Aufnahme. Dazu dann die Gratulation des AdW-Teams zum Astrofoto der Woche!
Peter Riepe
Bildautor: Dieter Ludwig
Koordinaten (J2000) von NGC 6822:
RA = 19 h 44 min 56,2 s, DE = -14° 47' 51"
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