6. Woche - Der Offene Sternhaufen NGC 7789

Das heutige AdW zeigt den galaktischen Sternhaufen NGC 7789 und seine Umgebung im Sternbild Cassiopeia mit einem Gesichtsfeld von 140´ x 94´ (Norden links, Osten unten). Sternhaufen sind ein Produkt zurückliegender, heftiger Sternentstehung. Man unterscheidet locker aufgebaute Offene Sternhaufen, die sich entlang der Milchstraßenarme anordnen, dazu dann die viel kompakteren Kugelsternhaufen. Sie bilden ein sphärisches System vom Inneren bis in den Halo der Milchstraße. Generell sind Kugelsternhaufen viel massereicher als Offene Sternhaufen, außerdem sind sie (was die Kugelsternhaufen der Milchstraße betrifft) wesentlich älter als die überwiegend jüngeren Offenen Sternhaufen.
NGC 7789 liegt ca. 31.000 Lj vom Milchtraßenzentrum entfernt. Er ist im Gegensatz zu vielen anderen Offenen Sternhaufen bereits älter, man schätzt etwa 1,6 Milliarden Jahre (Gim et al. 1998). Das bedeutet für unser AdW: Wir suchen vergeblich nach blauen, massereichen jungen Sternen. Es gibt sie nicht mehr, sie haben sich inzwischen weiter entwickelt zu hellen Roten Riesen der Farbe gelblich bis orange. Und die zeigt das AdW. Ihre scheinbaren Helligkeiten betragen 10,6 bis 13,5 mag (Stetson 1997), was einigermaßen zu der Entfernung des Sternhaufens von ca. 8200 Lj passt. Die wenigen blauen Sterne in NGC 7789 heißen “Blue Stragglers”, das sind “blaue Nachzügler”. Sie sind später neu entstanden, aus kollidierten Doppelsternen. NGC 7789 kommt bei einer scheinbaren visuellen Helligkeit von 6,7 mag im Mittel auf eine gelbliche Farbe (B-V ca. 1 mag). Die Masse des Sternhaufens erreicht recht ansehnliche Werte von ungefähr 7000 Sonnenmassen (Wu et al. 2009). Anmerkung: Die hier genannten wissenschaftlichen Quellen sollen unserem Bericht keinen “pseudowissenschaftlichen Anstrich” geben – sie sind als korrekte Information für diejenigen Leser gedacht, die sich näher mit dem Thema befassen möchten. Und die wissen auch ohne Link, wie man diese Quellen erschließt.
Die Ausdehnung von NGC 7789 erscheint problematisch, denn die zahllosen Milchstraßensterne sind dicht übers Bild gedrängt. In den üblichen Quellen werden 16' angegeben, aber das dürfte nur eine untere Grenze sein. Aus unserem AdW ergibt sich eher ein Wert von 21'. Und das stimmt gut überein mit dem Bereich, in welchem viele Veränderliche von NGC 7789 nachgewiesen wurden.
Der blaue B1-Stern Sigma Cassiopeiae (BD+54°3082) steht rechts im Bild. Seine Helligkeit im Blauen beträgt B = 4,89 mag und im Visuellen V = 5,00 mag. Das ergibt einen negativen Farbindex von B-V = -0,11 mag, typisch für OB-Sterne. Sigma Cassiopeiae ist ein Doppelstern mit nur 2,6 arcsec Komponentenabstand. Die 1,8 mag schwächere Komponente B sitzt nördlich von A (hier im Bild natürlich nicht auflösbar). Im Gegensatz dazu ist der Stern Rho Cassiopeiae (HD 224014, links im Bild) gelborange. Seine Helligkeitswerte sind B = 5,85 mag, V = 4,59 mag. Dazu passt der Farbindex B-V = 1,26 mag bestens. Schaut man sich aber den Spektraltyp von Rho Cassiopeiae an, so stellt man mit Verwunderung fest: Es handelt sich um einen G2-Stern. Ein gelber G2-Stern???Hier zeigt sich, warum ich gern auf dem Farbindex “herumreite”: Ein ungestörter, nicht verstaubter G2-Stern kommt auf B-V = 0,64 mag. Rho Cassiopeiae ist als G2-Stern nicht mehr weiß, sondern die Rötung durch starken Staub macht ihn gelb. Würde man ihn zum “Weißabgleich” verwenden (ohne auf den Farbindex zu achten), so wäre die Aufnahme falsch kalibriert – entschieden zu blau.
Fachgruppenmitglied Karsten Möller fertigte diese schöne Übersicht am 9. September 2015 an. Ort war Lauterbach/Hessen. Als Optik kam ein Skywatcher ED80 mit f = 510 mm zum Einsatz, also Blende 6,38. Kamera war eine Canon EOS 400Da, alles saß auf einer Montierung NEQ6 mit Sucherguiding. Belichtet wurde 48 x 300 s (= 4,0 h) bei ISO 800. Der Bildautor schreibt: “Ich hatte sehr gutes Seeing während der Aufnahme. Die komplette Bearbeitung geschah mit Pixinsight. Verwendet wurden 25 Dunkel-, 25 Flach- und 50 Biasbilder.”
Text zum Objekt und Belichtungsdaten: Peter Riepe
Egal wie kritisch wir auch schauen – Fokussierung, Nachführung, eingesetzte Belichtungszeit und Nachbearbeitung – alles passt. Fast alles – einzig die auffälligen farbigen Halos um die helleren Sterne stören etwas. Das mag dem Aufnahmeinstrument geschuldet sein und hat dann nichts mit dem Bildautor zu tun. Allerdings hätte man diese Halos im Rahmen der Bildbearbeitung etwas verkleinern (abdunkeln) können. Das ist natürlich Geschmackssache und für nicht wenige schon zu viel selektive Bildbearbeitung im Sinne einer bewussten Verfälschung. Das akzeptieren wir ohne wenn und aber und beenden deshalb hier jede weitere Kritik.
Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies und Frank Sackenheim
Koordinaten (J2000): RA = 23 h 57 min 24 s, DE = +56° 42' 30" (J2000)
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