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8. Woche - NGC 891, die bekannte „Edge-on-Galaxie“ in der Andromeda

| Astrofoto der Woche

Heute zeigt uns Patrick Winkler ein feines Bild der Galaxie NGC 891 in der Andromeda. Aufnahmeort war Siegenfeld in Niederösterreich. Am 27.10.2019 entstand am 16-Zoll-Ritchey-Chrétien (Marke ASA) mit f = 3200 mm eine Serie von Einzelaufnahmen, belichtet mit einer ZWO ASI 1600 MM Pro wie folgt: L 150 min, RGB jeweils 45 min. Für die Bildbearbeitung wurden PixInsight und Photoshop eingesetzt. Norden ist oben, Osten links, das Bildfeld beträgt 17,9' x 13,6'.

NGC 891 ist eine 9,93 mag helle Edge-on-Galaxie mit 89,5° Inklination, d.h. sie erscheint uns fast hundertprozentig in Kantenlage. Dass es sich um eine Spiralgalaxie handelt, ist unbestritten. Allerdings ist gerade wegen der Kantenlage keine "Draufsicht" gegeben, die uns das Zentralgebiet zeigt. Von daher ist der Typus kaum zu bestimmen. In der Literatur finden sich zwei Angaben: Sb oder SBb. NGC 891 liegt im "Local Volume", das ist der lokale Raumbereich bis 11 Megaparsec (etwa 36 Mio. Lj) Radius um unsere Milchstraße (bitte nicht verwechseln mit der Lokalen Galaxiengruppe). Die Radialgeschwindigkeit wird zu 528 km/s angegeben, die Entfernung zu 9,95 Mpc bzw. 32,5 Mio. Lj. Für solche extragalaktischen Daten empfiehlt sich nicht nur Simbad oder die NASA Extragalactic Database, sondern insbesondere auch der "Catalog & Atlas of the LV galaxies" (http://www.sao.ru/lv/lvgdb/). Dieser online-Katalog wird herausgegeben vom "Special Astrophysical Observatoy" der Russischen Akademie der Wissenschaften und basiert auf vielen Vorarbeiten des russischen Astrophysikers Prof. Igor Karachentsev. NGC 891 ähnelt mit ihrem Aufbau und ihrer Struktur der Milchstraße. Der scheinbare Längsdurchmesser wird in der Datenbank Simbad mit 12,3' angegeben. Aus einer in Kontrast und Helligkeit angehobenen Bildvariante des AdWs lässt sich ein größerer Wert ermitteln: immerhin 14', obgleich die Galaxie in ihren schwächsten Ausläufern noch über die Bildränder hinausgeht. Das entspricht bei der o.a. Entfernung einem wahren Durchmesser von rund 132.000 Lj. Dass der wahre Durchmesser durchaus noch größer sein kann, ist für den AdW-Leser ein "alter Hut", denn die heutigen tiefen Amateuraufnahmen zeigen stets ein großflächigeres Abbild als die traditionell bekannten Werte der Datenbanken. Auch zeigen Messungen der Verteilung des neutralen Wasserstoffs um NGC 891 (Oosterloo, Fraternali und Sancisi, 2007), dass der HI-Halo von NGC 891 mindestens eine Ausdehnung von 19' besitzt. Was außergewöhnlich ist: Das HI-Gas bildet im Nordbereich sogar eine Filamentstruktur, die senkrecht aus der galaktischen Ebene steigt und sehr weit in den Außenraum ragt.

In NGC 891 selbst ist das dunkle Staubband in der galaktischen Ebene sehr schön strukturiert zu sehen. Aus dem Staubband steigen senkrecht zur galaktischen Ebene dunkle Verästelungen in den Raum. So kennen wir das auch von den verästelten Staubwolken im Gebiet Skorpion, Schütze und Schlangenträger in unserer Milchstraße. Die Staubschicht ist besonders im Nordbereich auch von bläulichen Sternentstehungsgebieten durchsetzt. HII-Regionen sind in NGC 891 zwar vorhanden, sie kommen aber hier nicht als rote Fleckchen heraus. Eine Objektsorte muss ich einfach noch kurz anschneiden: Kugelsternhaufen. Es ist ja bekannt, dass Kugelsternhaufen in unserer Nachbargalaxie M 31 auch mit Amateurteleskopen ab etwa 200 mm Öffnung nachweisbar sind. Wie verhält es sich denn mit Kugelsternhaufen in NGC 891? Eine sehr informative Untersuchung stammt von W.E. Harris, dem "Papst" unter den Erforschern von Kugelsternhaufen, und drei weiteren seiner Kollegen: "Globular cluster candidates in NGC 891"; Mon. Not. Royal Astr. Soc. 395, 436-442 (5/2009). In dieser Untersuchung, die mit dem Weltraumteleskop Hubble erfolgte, wurden 43 Kandidaten gefunden und tabelliert. Einer der hellsten steht ein wenig außerhalb des Galaxienkörpers an der Nordspitze von NGC 891. Der Katalogname: G 34. Er hat eine Rothelligkeit von 21,9 mag und einen "half light radius" (so etwas wie die Halbwertbreite) von 0,068 Bogensekunden. Dennoch erscheint er als verschmiertes Pünktchen von gut 2 Bogensekunden Durchmesser auf der Aufnahme von Patrick Winkler. Ich habe ihn im bearbeiteten Zusatzbild (hier klicken) gelb markiert. Es ist schon erstaunlich, was Amateurteleskope leisten, denn NGC 891 ist immerhin 32,5 Mio. Lj entfernt, während der Andromedanebel nur 2,5 Mio. Lj Distanz hat.

Jetzt kurz zu den Hintergrundobjekten. Der gezeigte Bildausschnitt zeigt keine Begleitgalaxie, dazu reicht das Bildfeld nicht weit genug nach außen. Eine Fülle von Hintergrundgalaxien wird aber doch erkennbar. Eines dieser Objekte ist bemerkenswert: Bei den Pixelkoordinaten (1160/675) erkennt man im AdW den Quasar [LB2005] NGC 891 X4. Seine Radialgeschwindigkeit beträgt 195.639 km/s, er steht demnach sehr weit entfernt im Hintergrund. [LB2005] NGC 891 X4 wurde – wie man an dem X im Namen bereits erkennt – als Röntgenquelle in einem ROSAT-Bild entdeckt (Read et al. 1997). Erst 16 Jahre später wurde der "Stern" von R = 17,41 mag mittels optischer Spektrografie als Quasar identifiziert (Bregman et al. 2013).

Anmerkung: NGC 891 ist ein Musterbeispiel für eine Galaxie, die fast als "Starburst-Galaxie" bezeichnet werden kann. Das bedeutet: Neben dem Starburst (der heftigen Sternentstehung) sind auch noch HII-Regionen vorhanden, siehe J. Rossa und R.-J. Dettmar: "An Hα survey aiming at the detection of extraplanar diffuse ionized gas in halos of edge–on spiral galaxies, II. The Hα survey atlas and catalog", Astron. & Astrophys. 406, 505–525 (2003). R.-J. Dettmar ist sicherlich einigen unter den Lesern als Mitveranstalter der Bochumer Herbsttagung bekannt. Kurz und gut: Ein LRGB-Bild wie dieses hier ist zwar farbneutral, erfordert aber für die Wiedergabe der HII-Regionen eine zusätzliche, tiefe Belichtung mittels Hα-Filterung. Der Autor soll diesen Hinweis aber bitte nicht als Kritik auffassen, sondern als einen Hinweis, der auch jeden Leser interessieren dürfte. Vorteil der Hα-Filterung bei NGC 891: Die Radialgeschwindigkeit der Galaxie ist mit 528 km/s so gering, dass die Verschiebung der Hα-Linie im Transmissionsfenster eines handelsüblichen Hα-Filters nur auf 1,1 nm kommt und somit für die Praxis nicht relevant ist.

Das AdW-Team sagt Dank für dieses schöne Resultat und gratuliert herzlich zum Astrofoto der Woche!

 

Peter Riepe
Bildautor: Patrick Winkler

 

Koordinaten von NGC 891 (J2000):
RA = 02 h 22 min 33 s, DE = +42° 20' 54''

 

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