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8. Woche - Reflexionsnebel im Gebiet Cassiopeia/Andromeda

Fotografiert von: Markus Blauensteiner | | Astrofoto der Woche

Das AdW zeigt ein Himmelsfeld von 40' x 30' im Grenzgebiet von Cassiopeia und Andromeda. Die Sternbildergrenze verläuft etwa 5' parallel südlich des oberen Bildrandes. In diesem Feld liegen mehrere verstreute, lichtschwache Reflexionsnebel des Komplexes LBN 564. Sinnvoller ist die Bezeichnung LBN 114.48-13.45, denn damit werden als Orientierungshilfe schon die galaktischen Nebelkoordinaten genannt.

Laut Datenbank SIMBAD hat das Nebelzentrum die äquatorialen Koordinaten RA = 00 h 02 min und DE = +48° 36' (J2000). Im AdW wäre das bei den Pixelkoordinaten (540/310). Diese Position erscheint zunächst merkwürdig, weil sie weit außerhalb des helleren Nebels liegt! Aber womöglich gibt es weiter nördlich eine Nebelfortsetzung? Schauen wir uns deshalb einen invertierten, im Kontrast gesteigerten 1,6° x 1,6° großen Ausschnitt aus dem digitalisiertem POSS an (hier klicken). Das im AdW sichtbare, hellere Nebelgebiet verläuft noch ein ganzes Stück weiter nach Süden. Aber nach Nordwesten gibt es tatsächlich noch schwächste Ausläufer. Das Zentrum von LBN 564 liegt laut SIMBAD-Position beim rot markierten Kringel. Sieht man sich jetzt die Originalarbeit von Beverly T. Lynds an, so werden für den Nebelkomplex die Koordinaten (B1950) RA = 23 h 59 min und DE = +48° 20' genannt. Rechnet man diese auf J2000 um, so befindet sich die Lynds-Position des Nebelzentrums im Vergleich zu SIMBAD ein wenig weiter westlich, und das passt besser (grüner Kringel). Folgerung: Erst wenn man die schwächsten Nebelausläufer nach Nordwesten mit berücksichtigt, wird die Angabe der Nebelausdehnung von 70' x 15' im Lynds-Katalog verständlich. Ob diese extrem schwachen nordwestlichen Nebelfortsätze aber die Bezeichnung LBN (Lynds´ bright nebulae) verdienen, ist schon diskussionswürdig. Die hier von uns als Koordinaten angegebenen Werte im AdW beziehen sich auf den gesamten helleren Nebelteil, wie man ihn im POSS südlich der SIMBAD-Position beim gelben Kringel erkennt.

Seltsam ist, dass LBN 564 in SIMBAD als „HII (ionized) region“ bezeichnet wird, also als ionisierte HII-Region. Nichts - aber auch gar nichts - deutet im farbkalibrierten AdW auf irgendeine Hα-Emission hin. Sternentstehung ist in diesem Milchstraßenabschnitt nicht zu finden, also auch keine jungen, heißen, blauen OB-Sterne. Der einzige blaue Stern im weiteren Umfeld ist der 6,78 mag helle HD 225124. Er befindet sich links etwas außerhalb des Bildfeldes. Da er aber nur den Spektraltyp A2 besitzt, reicht seine Energie auf keinen Fall zur Ionisation der Gasanteile in den benachbarten Reflexionsnebeln. Man darf also die Frage stellen, wie der Datenbankbetreiber wohl auf diese „fixe Idee“ einer HII-Region gekommen sein mag.

Rechts im AdW liegt bei (1427/593) ein weiterer Reflexionsnebel von gut 10' Länge. Er ist in den Datenbanken nicht separat gelistet und gehört deswegen auch vermutlich dem Gesamtkomplex LBN 564 an. Rund 3,2' nördlich dieses Nebelstranges leuchtet ein diffuses, rundes Objekt. Es ist die etwa 45" ausgedehnte Spiralgalaxie UGC 12887, die nach ihrer Radialgeschwindigkeit zu urteilen (5374 km/s) rund 240 Mio. Lichtjahre entfernt ist. Und zum Schluss: Ganz links oben fällt in dem Meer an gelben bis weißgelben Sternen ein knallig orangefarbener Stern auf: der Veränderliche IW Cassiopeiae mit dem seltenen Spektraltyp S, einem Kohlenstoffstern nicht unähnlich.

Fachgruppenmitglied Markus Blauensteiner nahm dieses Himmelsfeld ab dem 31.10.2015 drei Nächte lang an der Sternwarte Gahberg auf. Optik war ein Newtonreflektor 250/1000 mm (= Blende 4) für die Luminanzbilder, dazu ein 130-mm-Newton für die RGB-Bilder. CCD-Kamera für die Luminanzaufnahmen war eine SBIG ST-2000XM, dazu eine Starlight SXV-H9 für die RGB-Aufnahmen. Belichtet wurde 55 x 10 min (L) und je 20 x 10 min (RGB). Da die Transparenz gut war, konnte dieses Nebelgebiet eindrucksvoll abgelichtet werden. Tipp an den Bildautor: Vielleicht planst Du den südlichen Anschluss mit dem restlichen hellen Nebelanteil auch einmal ein?

Text zum Objekt und Belichtungsdaten: Peter Riepe

Zwei Teleskope auf einer Montierung (250-mm-Newton mit SBIG ST-2000XM und 130-mm-Newton mit SXV-H9) belichteten gleichzeitig das oben abgebildete Feld. Knapp 10 Stunden während dreier Nächte dauerte die Belichtungsarbeit (Belichtungszeit insgesamt für beide Systeme 1150 Minuten) – einschließlich geringer, in Richtung und Amplitude jeweils unterschiedlicher Verschiebungen (Dithering).

Dabei müssen die Aufnahmezeiten der beiden CCD-Kameras sehr gut synchronisiert werden, damit die Verschiebungen immer nur während der Kamera-Download-/Ruhezeiten erfolgen. Zweck der Übung ist ein rauschärmeres Bild über eine Mittelung unterschiedlicher Ladungszustände benachbarter Pixel auf dem Kamera-Chip. Die Methode funktioniert natürlich auch bei DSLR-Kameras, Voraussetzung ist allein die entsprechende Nachführsoftware und eine stabil laufende und exakt ansteuerbare Montierung.

Markus Blauensteiner hatte das alles im Griff. Das Bild ist die Summe der oben beschriebenen ausgeklügelten Aufnahmetechnik und einer souverän durchgeführten Bildbearbeitung.

Wir gratulieren!

Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies und Frank Sackenheim

Koordinaten (J2000): RA = 00 h 02 min 00 s, DE = +48° 18' 11" (J2000)

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