Astrofotografie ganz einfach

Als ich Ende der Siebzigerjahre mein erstes Teleskop geschenkt bekam und begann, den gestirnten Himmel visuell zu erkunden, hat es nicht lange gedauert, dass sich der Wunsch entwickelte, das gesehene auch auf Fotografien festzuhalten. Die Grundsätze der Astrofotografie waren damals überschaubar, doch die Entwicklung der Fähigkeiten dauerte lang, bzw. waren bzgl. der Bildentwicklung oftmals zu aufwändig. Die digitalen Technologien erleichtern und beschleunigen den Lernprozess ungemein, doch angesichts der Vielzahl an Faktoren, die es dabei zu Berücksichtigen gilt, ist es sinnvoll, einen umfangreichen Leitfaden zu erhalten.
Das proklamierte Ziel des Buches
Als Ziel finden sich Aussagen wie: “... Doch welches Programm stellt man ein? Wie lange muss man belichten? Was gilt es beim Handy zu beachten? Und wie wird das Bild am Ende richtig beeindruckend?“ und: „... leicht verständlichen Kurs für alle, die schöne Fotos des Nachthimmels machen... möchten“
Website von Franck-Kosmos:
„Brillante Astrofotos Schritt für Schritt – ohne Vorkenntnisse
Profianleitungen für Sonnenfinsternisse, Polarlichter und andere himmlische Highlights“
Systematik und Inhalt
Das Buch hat 160 Seiten im Softcover mit aufklappbaren Deckeln, um Basisinformationen rasch zur Verfügung zu haben. Es ist im Hochformat 24,1 cm×17,2 cm mit farbigen Abbildungen gedruckt.
Der Inhalt gliedert sich in diese Hauptabschnitte:
- Kameras, Objektive und Zubehör
- Fotokurs Sternenhimmel
- Motive des Nachthimmels
- Der Mond macht Laune
- Strahlende Sonne - nur mit Schutz
- Die digitale Dunkelkammer
Kameras, Objektive und Zubehör
Nach einer kleinen Einführung in die Magie der Nacht und der grundlegenden Konzeption seines Buchs, startet die Astrofotografie mit dem Kennenlernen der Kameras und ihrer Wirkungsweise. Die Leser erlernen die Fotografie in ihren Grundzügen, da sich die Astrofotografie doch erheblich von der einfachen (Selfie)Knipserei unterscheidet. Dennoch zeigt Stefan Seip, dass auch mit modernen Smartphones bereits erste Ergebnisse möglich sind.
Die Wahl der Kamera wird anhand der Bildsensoren erstellt. Der Leser erhält keine vorgefertigten Entscheidungen, wie „nimm die Kamera XY vom Hersteller ZZ“. Neben des Vergleichs Spiegelreflex/Spiegellose Kameras findet sich die generelle Empfehlung zu großen Sensoren mit einer kleinen Größenübersicht und den „Live-View“, mit dem der Fokus geprüft werden kann. Auch die Objektive werden mit ihren optischen und mechanischen Eigenschaften vorgestellt und was man bei der Wahl beachten sollte. Das die Ausrüstung entsprechend solide gelagert werden muss, erfährt der Leser anschließend. Das entscheidende Zusammenspiel von ISO, Blende, Belichtungszeit, Objektiv- und weiteren Kameraeinstellungen runden den Wissensschatz ab.
Fotokurs Sternenhimmel
Der Autor beginnt seinen Lehrgang nicht etwa draußen in der Nacht. Nein, er ermutigt die Leser zu Tests und Experimenten, die bereits in einem verdunkelten Wohnzimmer starten können, wo wir ungestört viele der im vorherigen Abschnitt gelernten Grundlagen nachvollziehen und erlernen können, damit es draußen im Ernstfall dann reibungslos funktioniert. Auch als nächsten Schritt werden nicht ideale Nächte für Outdoor-Tests vorgesehen.
Die besonderen Umstände der astronomischen Nachtfotografie werden mit einem kleinen Exkurs in die Sternbilder begonnen. Der Auswahl an für kurze Brennweiten attraktiven Sternbildern folgen Hinweise zur Ermittlung der maximalen Belichtungszeit, die durch die Erddrehung eine besondere Bedeutung gewinnt. Der nächste Schritt zur Astrofotografie benötigt den motorischen Ausgleich der Erddrehung mit einem Startracker und wird in seinen Grundzügen beschrieben.
Motive des Nachthimmels
Der klassische Nachthimmel mit flächigen Objekten, wie die Milchstraße, Polarlichter, Zodiakallicht/Gegenschein, Sternschnuppen und Kometen, Konstellationen/Konjunktionen, Satelliten, Nachtwolken wird mit einer kurzen Erklärung der Phänomene vorgestellt. Sicherlich keine Allerweltsobjekte, denn es bedarf für einige besonders gute, das heißt dunkle und natürliche Nachtbedingungen. Welche Zeiten für die Ablichtung der Milchstraße geeignet sind erfahren wir in einer Übersicht. Vielleicht wäre ein Hinweis sinnvoll, dass die besten Bilder weitab der beleuchteten Zivilisation erfolgen, die Beispielaufnahmen sind aus Namibia und vermutlich den Kanarischen Inseln. Immerhin wird die Lichtverschmutzung und eine notwendige Stadtflucht erwähnt; Beispiele aus der eher heimischen Region aufgenommen wären sicher ermutigend (und auch ökologischer). Das Satelliten mittlerweile in den Sommermonaten echte Störgrößen sein können wird nicht erwähnt, ebensowenig, wie man auf Aufnahmen Satelliten von Meteoren unterscheiden kann. Wäre für Einsteiger sicher interessant. Gut abgerundet wird das Kapitel mit der Nennung von häufigen Fehlerquellen und deren Vermeidung.
Der Mond macht Laune
Die Brennweiten werden länger und neue Problem wie das Seeing tauchen auf. der Autor gibt Hinweise zum Abbildungsmaßstab des Monds in Abhängigkeit der Brennweite und Sensorgröße. Der kurzen, präzisen und anschaulichen Erklärung der wichtigsten Phänomene folgt eine spannenden Schilderung der Wahl des Aufnahmeorts für die beliebte Mondaufgang mit Baum „Problematik“.
Auch die Fotografie von atmosphärische Haloerscheinungen werden besprochen.
Fehlerquellen und deren Vermeidung sind auch hier wieder hilfreich, um eine flüchtige oder einmalige Fotosession nicht zu verbocken.
Ich vermisse die afokale Fotografie mit einer kompletten Kamera durch das Okular. Auf einfachste Weise hat man schnell eine beeindruckende Detailaufnahme des Monds angefertigt. Eine Vielzahl von im Handel erhältlichen Adaptern/Haltern von Kameras/Smartphones an Ferngläsern und Fernrohren bestätigt das.
Strahlende Sonne - nur mit Schutz
Auch hier werden die fotografierbaren Phänomene der Sonne verständlich umrissen.
Umfangreich und hilfreich sind die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen zur Sonnenbeobachtung. Bezüglich der Fotografie von Sonnenfinsternissen lässt sich leider eine Belichtungszeittabelle vermissen, die dem Leser zeigt, welche Phänomene (Protuberanzen, Korona, Koronaausläufer) mit welchen fotografischen Daten am Besten erfassbar sind. Gerade für so kurzlebige und seltene Ereignisse wie eine Sonnenfinsternis, muss hier genau geplant werden. Für Trial & Error Experimente hat man keine Zeit.
Hinweise für Fehlerursachen misslungener Aufnahmen runden das Kapitel ab.
Auch hier wurde keine afokale Fotografie vorgestellt, ein Teleskop wird dem Einsteiger vermutlich eher vorliegen, als ein sehr langbrennweitiges Teleobjektiv.
Die digitale Dunkelkammer
Meine ungeteilte Zustimmung finden Seips Ansätze, dass die Bildbearbeitung nur der Verstärkung der Bilddetails dienen und Fotomontagen vermieden werden sollten.
Stefan Seip legt seinen Schwerpunkt auf die Vermittlung von Basiswissen, mit dessen Kenntnis man die Bearbeitungsziele mit der persönlich bevorzugten Software umsetzen kann. Somit wir der Leser quasi zu einem mündigen Fotografen herangeführt. Herr Seip weist darauf hin, dass aus einer schlechten Aufnahme keine gute gemacht werden kann, sie allenfalls verbessert wird.
Am Beispiel einer Milchstraßenaufnahme mit 20mm Objektiv an einer Vollformatkamera führt Seip den Leser durch die Stufen der Bildbearbeitung mit der Affinity Photo Software. Die Beschreibung ist nach seinem Grundsatz so gewählt, dass die Prinzipien auf andere Bildbearbeitungssoftware übertragbar ist.
Die Screenshots sind grundsätzlich hilfreich, aber leider nur mit Aufwand lesbar. Das Beispielfoto wurde sicherlich unter sehr guten Bedingungen aufgenommen, was auch der Empfehlung des Verfassers entspricht. Das Gros der Fotografinnen und Fotografen wird mit mehr oder weniger starker Lichtverschmutzung zu kämpfen haben, die die Qualität der Bilder mindert, bzw. deren Bearbeitung schmälert.
Leider ist das Beispiel zur Vignettierungskorrektur nur mit einem bekannten Objektiv einer Datenbank in der Software möglich. Ansonsten benötigt man Flataufnahme oder per Maske, was aber nicht dargestellt wird.
Umschlagseiten und Anhang
Die Übersicht der schlecht einprägsamen Aufnahmeparameter und Termine von Himmelsereignissen in aufklappbaren Buchdeckeln ist eine gute Idee! Mein Kritikpunkt ist leider: Anstelle hier zum Teil Platz mit Bilder mit leicht zu merkender Basisinformation zu verschwenden, wäre es sinnvoller gewesen, z.B. das Belichtungsdreieck (Seite 29) oder z.B. Relation von ISO / Blende bzgl. der Tiefe der Belichtung in Abhängigkeit von Bortle-Nachthimmelsdunkelheitsskala anzugeben.
Dann könnten die Daten der Sternschnuppenströme zu den Himmelsereignissen im hinteren Cover geschoben werden, was themenbezogen besser passend ist.
Layout und Bildmaterial
Das Layout ist modern und übersichtlich gestaltet. Die Bilder sind durchweg farbig.
Herr Seip verwendet eine lockere Sprache (Z.B. Seite 113 „Sollte der Autofokus Sperenzien machen, ...“) was aber aber nicht über die Präzision seiner Aussagen hinweg täuschen soll. Der Schreibstil ist auch dadurch sehr persönlich, man könnte meinen, Stefan Seip stünde neben einem und erzählte seine Erfahrungen.
Resümee
Das Buch ist ein sehr empfehlenswertes Buch für den Einstieg in die Astrofotografie mit digitalen Kameras. Man sieht dem Buch die umfangreiche Erfahrung eines professionellen Fotografens an, die sich in vielen Tipps und Hinweisen zeigt. Stefan Seip vermittelt alle Grundzüge der Fotografie im Hinblick der Astrofotografie und auch die Anwendung moderner Programme oder Apps. Selbst für jemanden, der bereits einige Zeit in der Astrofotografie tätig ist, hält das Buch so manche interessante Information bereit.
Inhaltlich finden sich m.E. nach wenige kleinere Lücken und so könnte ich mir ein paar Ergänzungen vorstellen.
Stefan Seip: Astrofotografie ganz einfach, 1. Auflage 2023, Franck-Kosmos Verlags-GmbH&Co.KG, Stuttgart,
ISBN 978-3-440-17148-6
20,00 EUR
https://www.kosmos.de/de/astrofotografie-ganz-einfach_1171486_9783440171486