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Beobachterischer Nachweis von Sternen der ersten Generation im Universum

Astronomen ist es gelungen, mit dem Very Large Telescope der ESO die mit Abstand hellste Galaxie im frühen Universum zu entdecken. Außerdem fanden sie deutliche Hinweise darauf, dass sich darin Exemplare der ersten Generation von Sternen versteckt halten. Diese massereichen, hell leuchtenden und zuvor rein theoretischen Objekte haben die ersten schweren Elemente im Universum erzeugt – Elemente, die notwendig für die Entstehung die Sterne waren, die uns heute umgeben, ebenso wie für die Planeten, die sie umkreisen und das Leben, wie wir es kennen. Die neu entdeckte Galaxie mit der Bezeichnung CR7 ist drei Mal so hell wie die hellste bisher bekannte ferne Galaxie.

ESO-News vom 17. Juni 2015

Astronomen haben lange über die Existenz von Sternen der ersten Generation diskutiert, die man auch als Sterne der Population III bezeichnet und die aus der Ur-Materie, die vom Urknall stammte, entstanden sind [1]. Alle schwereren chemischen Elemente – wie Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Eisen, die für das Leben unentbehrlich sind – wurden im Inneren von Sternen gebildet. Das bedeutet, dass die ersten Sterne aus den einzigen Elementen entstanden sein müssen, die vor diesen Sternen existierten: Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium.

Diese Sterne der Population III wären gewaltig gewesen – mehrere hundert- oder sogar tausendfach massereicher als die Sonne – glühend heiß und kurzlebig – und wären als Supernovae nach gerade einmal zwei Millionen Jahren explodiert. Aber bis heute ist die Suche nach einem Beweis für ihre physikalische Existenz ergebnislos gewesen [2].

Ein Team, angeführt von David Sobral vom Institute of Astrophysics and Space Sciences, der Faculty of Sciences der Universität Lissabon in Portugal und der  Sternwarte Leiden in den Niederanden, nutzten nun das Very Large Telescope (VLT) der ESO um eine Phase in der Gesichte des Universums, die man als Reionisationsepoche bezeichnet und die schätzungsweise 800 Millionen Jahre nach dem Urknall stattfand, genauer unter die Lupe zu nehmen. Anstatt sich bei ihren Beobachtungen nur auf einen kleinen Ausschnitt des Himmels zu beschränken, erweiterten sie den Beobachtungsbereich, um die umfangreichste Bestandsaufnahme weit entfernter Galaxien zu erstellen, die je angestrebt wurde.

Durchgeführt wurde die weitreichende Untersuchung mit dem VLT, mit dem W.-M.-Keck-Observatoriums, dem Subaru-Teleskop und dem Hubble-Weltraumteleskops von NASA und ESA. Das Team entdeckte – und bestätigte – eine große Zahl überraschend heller sehr junger Galaxien. Eine von ihnen, die als CR7 bezeichnet wird [3], entpuppte sich als ein außergewöhnlich seltenes Objekt und ist mit Abstand die hellste Galaxie, die je in dieser Phase des Universums beobachtet wurde [4]. Allein schon durch die Entdeckung von CR7 und anderen hellen Galaxien war die Untersuchung bereits ein voller Erfolg, eine weitere Inaugenscheinnahme lieferte allerdings zusätzliche überraschende Neuigkeiten:

Die Instrumente X-Shooter und SINFONI am VLT fanden starke Strahlung von ionisiertem Heliums in CR7, aber – und das war ausschlaggebend und überraschend zugleich – keinerlei Anzeichen schwerer Elemente in einem hellen Teil der Galaxie. Dies bedeutete, dass das Team den ersten brauchbaren Hinweis auf Haufen von Sternen der Population III, die ionisiertes Gas enthalten, innerhalb einer Galaxie im frühen Universum entdeckt hatte.

Diese Entdeckung übertraf unsere anfänglichen Erwartungen, da wir nicht damit gerechnet hatten, eine solch helle Galaxie zu finden“, erklärt David Sobral. „Dann, als wir das Wesen von CR7 Stück für Stück enthüllten, verstanden wir, dass wir nicht nur die mit Abstand leuchtkräftigste entfernte Galaxie gefunden hatten, sondern begannen auch zu realisieren, dass sie jedes einzelne Merkmal besaß, das man von Sternen der Population III erwartet. Das sind diejenigen Sterne, die die ersten schweren Atome gebildet haben, aufgrund welcher wir letztlich überhaupt existieren. Noch aufregender geht es wirklich nicht.

Innerhalb von CR7 wurden blauere und etwas rötlichere Sternhaufen gefunden, die darauf hinweisen, dass die Entstehung von Sternen der Population III – wie vorhergesagt – in Wellen stattfand. Bei dem, was das Team direkt beobachten konnte, handelte es sich um die letzte Welle von Population III-Sternen, was darauf hindeutet, dass solche Sterne einfacher zu finden sein sollten, als ursprünglich gedacht: Sie befinden sich inmitten normaler Sterne in helleren Galaxien und nicht nur in den frühesten, kleinsten und dunkelsten Galaxien, die so lichtschwach sind, dass sie nur sehr schwer zu beobachten sind.

Jorryt Matthee, Zweitautor der Veröffentlichung, in der die Ergebnisse präsentziert werden, erläutert abschließend: „Ich habe mich immer gefragt, woher wir stammen. Schon als Kind wollte ich wissen, wo die Elemente herkommen: das Kalzium in meinen Knochen, der Kohlenstoff in meinen Muskeln, das Eisen in meinem Blut. Ich fand heraus, dass diese zum ersten Mal gleich zu Beginn des Universum von der ersten Generation an Sternen gebildet wurden. Bemerkenswerterweise sehen wir mit dieser Entdeckung solche Objekte tatsächlich zum ersten Mal.

Um Zweifel daran, dass das, was beobachtet wurde, Sterne der Population III sind, auszuräumen und nach weiteren Exemplaren zu suchen und sie zu identifizieren, sind weitere Beobachtungen mit dem VLT, ALMA und dem Hubble-Weltraumteleskop der NASA/ESA geplant.

Endnoten

[1] Der Name Population III kam auf, weil Astronomen die Sterne der Milchstraße bereits in Sterne der Population I (Sterne wie die Sonne, die reich an schwereren Elementen sind die galaktische Scheibe bilden) und Population II (ältere Sterne mit einem geringen Anteil schwerer Elemente, wie sie in Bulge und Halo der Milchstraße und in Kugelsternhaufen zu finden sind) unterteilt haben.

[2] Solche Sterne zu finden, ist sehr schwierig: Sie hätten nur eine extrem kurze Lebensdauer und hätten bereits zu einer Zeit geleuchtet, als das Universum größtenteils lichtundurchlässig war. Bisherige Forschungsergebnisse beinhalten Nagao, et al., 2008, die kein ionisiertes Helium nachweisen konnten, De Breuck et al., 2000, die ionisiertes Helium neben Kohlenstoff und Sauerstoff, sowie klare Charakteristika eines aktiven Galaxienkerns entdeckt haben und Cassata et al., 2013, die zwar ionisiertes Helium gefunden haben, allerdings neben Kohlenstoff und Sauerstoff und nur mit einer sehr geringen Äquivalentbreite bzw. schwachen Intensität.

[3] Der Spitzname CR7 ist eine Abkürzung für COSMOS Redshift 7, ein Maß für die Entfernung bezogen auf das kosmische Alter. Je höher die Rotverschiebung, desto weiter ist die Galaxie entfernt und desto weiter zurück in der Geschichte des Universums ist sie beobachtbar. A1689-zD1, eine der ältesten Galaxien, die je beobachtet wurde, hat beispielsweise eine Rotverschiebung von 7,5.

Der Name wurde von dem bekannten portugiesischen Fußballer Christiano Ronaldo inspiriert, der als CR7 bekannt ist.

[4] CR7 ist dreimal so hell wie der vorherige Rekordhalter, Himiko, den man für einzigartig hielt. Staubreiche Galaxien aus späteren Stadien der Entwicklung des Universums können zwar insgesamt deutlich mehr Energie aussenden als CR7, allerdings in Form von Wärmestrahlung des in Ihnen enthaltenen Staubes. Die von CR7 ausgesendete Strahlung dagegen stammt im Wesentlichen aus dem Ultravioletten bzw. aus dem sichtbaren Licht.

[5] Das Team zog zwei alternative Theorien in Erwägung: Dass die Quelle des Lichts entweder aus einem AGN oder von Wolf-Rayet-Sternen stammt. Das Fehlen schwerer Elemente und anderer Hinweise widerlegte jedoch diese Theorien. Das Team hielt es auch für möglich, dass es sich bei der Quelle um ein direkt kollabiertes Schwarzes Loch handelt, die wiederum außergewöhnlich exotisch und rein theoretischer Natur sind. Dass eine breite Emissionslinie fehlt und die Helligkeiten von Wasserstoff und Helium größer sind als für ein solches Schwarzes Loch, deutet darauf hin, dass dies ebenfalls unwahrscheinlich ist. Das Fehlen von Röntgenstrahlung würde diese Möglichkeit weiter widerlegen. Hierfür sind jedoch zusätzliche Beobachtungen notwendig.

 

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