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Die Harmonie des Universums

Rezension von: Manfred Holl (Rezensent) | | Verlag

Die Geschichte der Astronomie liest sich oft als eine mehr oder weniger lose Abfolge von Ereignissen, Erkenntnissen und verschlungenen Pfaden, die am Ende zu einem Zuwachs an Wissen oder in die Irre führten, jede Menge Zufälle inbegriffen. 

Was aber, wenn dem eher eine Art Sucht nach Harmonie im Weltgeschehen, im Himmelsgewölbe und der Existenz des Menschen zugrunde liegt. Diesen eher naturphilosophischen Gedankenansatz verfolgt Dieter B. Herrmann, Astronomiehistoriker und  emeritierter Direktor der Berliner Archenhold-Sternwarte und Gründungsleiter des Berliner Zeiss-Großplanetariums. Seit der Antike, und hier besonders seit den Pythagoreern, wurde die Symmetrie als ein Teil der Harmonie, in der Musik der Harmonik, betrachtet. Im 20. Jahrhundert erhielt die Symmetrie durch neue Erkenntnisse aus der Physik eine eine leicht andere Bedeutung, war aber immer noch auf der Suche nach dem Einklang mit der Natur.

Nach der Antike finden sich „harmonische Bestrebungen“ bei Brahe und Kepler (Harmonises mundi) ebenso wie bei Kopernikus oder Newton. Sie alle verbanden in ihren Vorstellungen die Beobachtung natürlicher Vorgänge mit einer gleichförmigen, harmonischen Welt, unabhängig vom Grad der wissenschaftlichen Erkenntnis. 

Der Bruch der Wissenschaft mit der kirchlichen Glaubenslehre, das Beschreiten neuer Wege zum Erkenntnisgewinn, die Abkehr von Dogmen (die es nicht in jedem Fall gab), führte ebenfalls gleichsam nicht zur einer Abkehr von der Harmonielehre, sondern eher zu dessen Bestätigung,  die möglicherweise selbst noch bei der Entdeckung der Titus-Bode-Regel zu den Abständen der Planeten von der Sonne eine Rolle spielte. Der weitere Weg führte von Hegel und seinen manchmal stark abweichenden Vorstellungen fast direkt zu Einstein. Aber nicht alle Forschungen unterlagen dem dem Menschen innewohnenden Wunsch nach Harmonie. Manche Entwicklung stand dem diametral gegenüber, wie der krampfhafte Versuch Hegels, alles unter das Kuratel der reinen Harmonielehre stellen zu. Zahlenmystik und Sphärenmusik sind ebenfalls Bestandteile der Naturphilosophie und deren Prägung durch die Harmonie, ihnen fehlt aber der direkte Bezug zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen etwa über die Bewegung der Planeten im Großen und die der Atome und Elektronen im Kleinen. Beide sind dennoch ein Beleg für harmonisches Miteinander. 

Auch die Schönheit von mathematischen Formeln wird häufig als Beleg für die ihnen innewohnende Harmonie gesehen, zumindest von Naturphilosophen. Letzten Endes gibt es in der Physik heutiger Ausprägung viel Harmonie zu entdecken, sodass die eingangs gestellte Frage, ob nicht der Suche nach wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn eher die Suche nach der Harmonie in der Welt zugrunde liegt, durchaus berechtigt erscheint. Ist sie aber richtig? Gibt es wirklich so ein Bestreben, Harmonie, Erkenntnis und Wahrheit als Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen, dem gegenüber alle anderen Anstrengungen hintenan stehen?

Der Autor lässt diese Frage offen, denn ob die Wirklichkeit einem „Bauplan“ folgt, ob mathematische Formeln die Realität abbilden oder nur ein gut durchdachtes Konstrukt ist, dass nur einer Scheinwirklichkeit unterliegt, kann man man seiner Ansicht nach nicht entscheiden. Er überlässt es damit geschickt der Leserin und dem Leser, diese Frage für sich selbst zu beantworten!

Selten habe ich ein Buch gelesen, dass einen vollkommen andere Sicht auf die Geschichte der Astronomie wirft und das gleichzeitig mehr zum Nachdenken und Grübeln - freilich auf wissenschaftlicher und nicht esoterischer oder verschwörungstheoretischer Grundlage - anregt. Dieter B. Herrmann ist damit ein Buch gelungen, dem gerade deswegen eine weite Verbreitung zu wünschen ist, weil es viele neue Sichtweisen auf bekannte Kenntnisse generiert und weil man dazu keine Grundkenntnisse der Philosophie benötigt. Die werden quasi nebenher vermittelt.

Titel:Die Harmonie des Universums – Von der rätselhaften Schönheit der Naturgesetze
Autor:Dieter B. Herrmann
Verlag:Franckh-Kosmos-Verlags Gmbh & Co. KG, Stuttgart
ISBN:978-3-440-15263-8
Jahr:2017
Info:d-nb.info/1121229808
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