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Die Raketenforschung in Peenemünde – Erinnerungen

Rezension von: Rezensent: Manfred Holl | | Verlag

Viele Bücher sind in den letzten Jahren, besonders nach 1990, über die Geschichte der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, der dortigen Raketenentwicklung und den unmenschlichen Bedingungen bei der Produktion der weltweit ersten Langstreckenrakete im Mittelwerk nahe Nordhausen in Thüringen geschrieben und veröffentlicht worden. Dabei ging es zumeist um das Leben und Wirken bekannter Protagonisten wie Wernher von Brauen, Walter Dornberger, Eberhard Rees, Arthur Rudolphs in Nazideutschland und später in den Vereinigten Staaten. Im Kern haben sich die Biografien selbst so unterschiedlicher Persönlichkeiten wie die der oben genannten irgendwie angeglichen, sodass man fast schon von einer tatsachenbereinigten, geschönten Selbstdarstellung sprechen kann.

Eine ganz andere Biographie wurde vom 2008 verstorbenen Autor des vorliegenden Buches, Sohn des Schauspielers und Regisseurs Paule Wegener und Großcousin des Polarforschers Alfred Wegener verfasst. Er war kein Mitglied der ersten Garde, sondern eher ein Wissenschaftler der zweiten Reihe, dessen Aufgaben auch nicht n der vordersten Linie der Raketenentwicklung, sondern bei den Windkanälen, einer für das Strömungsverhalten von Raketen dennoch bedeutsamen Einrichtung. Nach Notabitur, kurzen Studiengängen und ersten Einsätzen an der Ostfront gelangte er schließlich an die Nordspitze der Insel Usedom und lernte hier viele der später so weltbekannten Ingenieure und Techniker kennen. In weiteren, häufig wechselnden Stationen seines Lebens, landete er nach den Luftangriffen der Alliierten auf Peenemünde mit den Einrichtungen des Windkanals (in Peenemünde gab es den ersten Überschallwindkanal weltweit), in Kochel und siedelte schließlich im Rahmen des Unternehmens Paperclip in den USA. Nach ein paar Jahren nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an, arbeitete für die US Marines weiterhin an Windkanälen und ähnlichen technischen Einrichtungen. Zu den Raketenentwicklungen hatte er indes in den USA keinen größeren Kontakt, blieb jedoch mit einigen Personen in Verbindung.

Was dieses Buch so wertvoll macht, sind die Schilderungen der Erlebnisse in Kontakt mit den bekannten Raketenforschern und den Einblicken in die eigene Forschungsarbeit, die in dieser Form nur selten erzählt wurde, weil sie abseits der Raketengeschichte lag, obgleich sie ein wesentlicher Bestandteil dieser war. So behaupteten von Braun und Dornberger später, schon in das Ziel der Raumfahrt vor Augen gehabt zu haben, an den Sitzungen, an denen Wegener beteiligt war, wurde (entgegen anderslautenden Biografien) niemals über Reisen zum Mond erzählt und möglicherweise resultiert die Festnahme von Brauns durch die SS im Jahr 1944 auch nicht – wie von ihm behauptet – aus einem Partygespräch über Weltraumfahrt, sondern hatte ganz andere Hintergründe, in die eine namentlich nicht genannte sowjetisch-deutsche Doppelagentin in Zinnowitz verwickelt war.

Beeindruckend ist an diesem Buch auch – wieder im Gegensatz zu vielen anderen Biographien -, dass der Autor an vielen Stellen zugibt, sich an Vorgänge und Einzelheiten nicht mehr richtig erinnern zu können oder dass er Gespräche nur halb mitbekommen hat. Gerade dieser Aspekt verleiht dem Buch eine hohe Glaubwürdigkeit, denn die Erinnerungslücken beziehen sich nicht ausschließlich auf die Zeit während des Zweiten Weltkriegs, sondern auch die in den Vereinigten Staaten.

Auch wenn dieses Buch sich nicht primär mit der Geschichte der Raketenentwicklung in Peenemünde und den USA auseinandersetzt, so bildet die doch einen wesentlichen Hintergrund, sodass es auch demjenigen empfohlen werden kann, der neue, oder besser andere, An- und Einsichten über den Zeitabschnitt zwischen 1937 / 38 bis Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts sucht.

Titel:Die Raketenforschung in Peenemünde – Erinnerungen
Autor:Peter P. Wegener
Verlag:Schardt-Verlag
ISBN:978-3-89841-559-0
Jahr:2011
Infos:http://d-nb.info/1012458733
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