Die Schwarzen Löcher
Der Titel des Buches „Die Schwarzen Löcher“ erscheint zunächst ganz unverfänglich: Jeder hat ja schon mal davon gehört, dass es im Universum unvorstellbar massereiche kompakte Objekte gibt, deren Masse so gewaltig ist, dass die Fluchtgeschwindigkeit an ihrer Oberfläche der Lichtgeschwindigkeit entspricht.

Alles, was ihrem Gravitationsfeld nicht entfliehen kann, stürzt in sie hinein wie in ein bodenloses Loch. Da nicht einmal Licht diesen Objekten entkommen kann, können die Objekte kein Licht aussenden und sind schwarz. Daher gab man ihnen 1967 die Bezeichnung „Schwarze Löcher“.
Derartige Objekte galten lange Zeit als hypothetisch, da sich niemand vorstellen konnte, wie das Universum derartige Objekte bilden könnte. Albert Einstein zeigte 1915 mittels der Allgemeinen Relativitätstheorie, dass Gravitation ein geometrischer Effekt der vierdimensionalen Raumzeit ist, deren Krümmung den in ihr enthaltenen Massen vorgibt, wie sie sich bewegen müssen, wobei diese Massen ihrerseits die Raumzeit krümmen. 1916 stellte Carl Schwarzschild eine Lösung der Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie für das Gravitationsfeld punktförmiger Massen vor. Diese Lösung beschreibt die Größe und das Verhalten eines nichtrotierenden und nicht elektrisch geladenen statischen Schwarzen Lochs. Schwarzschild fand, dass ein solches Objekt von einem kugelförmigen Ereignishorizont umgeben ist, dessen Radius proportional zur Masse des Objekts ist. Am Ereignishorizont steht aus Sicht externer Beobachter die Zeit still, und da die Zeit still steht, haben alle vom Ereignishorizont ausgehenden Photonen die Energie Null. Darum ist das Objekt schwarz. Albert Einstein hielt die reale Existenz solch extremer Objekte für utopisch.
Bis zum Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde kein Schwarzes Loch entdeckt, und die im Innern solch utopischer Schwarzer Löcher geltende Physik war ein ungelöstes Rätsel. Mathematiker kamen zu der Ansicht, dass die Masse eines Schwarzen Loches sich in seinem Zentrum in einer punktförmigen Singularität verdichten müsse. Ein Punkt ist jedoch ein Objekt ohne Durchmesser, und die Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie für solch kleine Objekte nicht anwendbar.
1971 wurde im Sternbild Schwan das Schwarze Loch „Cygnus X1“ nachgewiesen. 1992 fand man im Zentrum der Milchstraße das supermassive Schwarze Loch „Sagittarius A-Stern“. 2005 zeigten Beobachtungen, dass dieses Schwarze Loch eine Masse von 3,6 Millionen Sonnenmassen hat. Seitdem wurden zahlreiche Supermassive Schwarze Löcher (SMBs) in den Zentren zahlloser Galaxien nachgewiesen.
2016 beobachtete man mit dem Gravitationswellendetektor LIGO erstmals Gravitationswellen, welche durch Fusion zweier stellarer Schwarzer Löcher erzeugt worden waren. Diese Beobachtung war der Beweis, dass es stellare Schwarze Löcher mit mehreren Sonnenmassen tatsächlich gibt.
Doch was hat es mit den Schwarzen Löchern auf sich? Wie kann man eine Vorstellung davon gewinnen, was sie sind, und wie sie funktionieren? Sie sind Zustände einer extrem gekrümmten vierdimensionalen Raumzeit, und wir werden niemals beobachten können, was hinter ihrem Ereignishorizont vorgeht, aber wie kann man sich das vorstellen?
Sucht man nach Antworten zu diesen Fragen, ist das Buch eine große Hilfe, denn es deckt nicht nur ganz nonchalant die schwarzen Löcher im Verständnis des Lesers auf, sondern es bringt Schritt für Schritt auch Licht in diese Dunkelheit, sodass man allmählich begreift, was es mit den Schwarzen Löchern auf sich hat, und wie man sie verstehen kann.
Das schaffen die Autoren des Buches behutsam, mit nüchterner Sorgfalt, und erfrischend verständlich, wenn man sich die Zeit zum genauen Lesen gönnt.
Die beiden Autoren Brian Cox und Jeff Forshaw sind Professoren für Teilchenphysik an der Universität Manchester. Beide sind sehr zudem erfahrene Wissenschaftsjournalisten, und beide arbeiten seit Jahren an den Experimenten am LHC beim CERN mit.
Das Buch bietet zunächst einen Überblick über die Entdeckungsgeschichte der Schwarzen Löcher bis zum Kenntnisstand des Jahres 2022. Darauf folgt eine verblüffend erfrischende Einführung in die Allgemeine Relativitätstheorie. Als Erdbewohner können wir nur drei Dimensionen des Universums wahrnehmen, daher können wir uns keine vierdimensionale Raumzeit vorstellen. Man kann jedoch zweidimensionale Diagramme erstellen, welche die interessierenden Eigenschaften der vierdimensionalen Raumzeit so darstellen können, dass man diese Eigenschaften verstehen kann. Der Physiker und Nobelpreisträger Roger Penrose kreierte solche Diagramme, mit denen man die globale Struktur einer Raumzeit graphisch darstellen kann. Mittels dieser „Penrose-Diagramme“ kann man näherungsweise visualisieren, was bei der Annäherung an den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs passiert, und was „danach“ innerhalb des Ereignishorizonts beobachtet werden könnte, sofern man dann noch Augen zum Gucken und ein Gehirn zum Verarbeiten dieser Eindrücke hätte. Schwarze Löcher sind faszinierend, aber keine Orte der Freundlichkeit.
Schwarze Löcher sind Objekte, die durch die Allgemeine Relativitätstheorie beschrieben werden. Erstaunlicherweise erweisen sich Schwarze Löcher jedoch auch als Objekte, die den Gesetzen der klassischen Thermodynamik gehorchen. Sie haben eine Temperatur, und bei näherer Betrachtung hat jedes Schwarze Loch eine Entropie, die der Fläche seines Ereignishorizonts entspricht.
Und nicht nur das! Überall im Universum entstehen durch Quantenfluktuationen der Vakuumenergie fortwährend Teilchenpaare, von denen ein Teilchen positive Energie hat, während das andere Teilchen negative Energie hat. Beide Teilchen annihilieren einander im Augenblick ihrer Entstehung und bleiben dadurch nie real. Falls diese Teilchenpaare jedoch am Ereignishorizont Schwarzer Löcher entstehen und wenn dabei das Teilchen mit negativer Energie in das Schwarze Loch fällt, reduziert dieses Teilchen die Masse des Schwarzen Lochs, während das Teilchen mit positiver Energie erhalten bleibt und vom Schwarzen Loch als „Hawking-Strahlung“ entweicht. Durch diese Prozesse müssen Schwarze Löcher langsam aber sicher an Masse verlieren.
Somit bestimmen auch die Gesetze der Quantenphysik das Schicksal der Schwarzen Löcher. Da sowohl die Allgemeine Relativitätstheorie als auch der zweite Hauptsatz der Thermodynamik als auch die Quantenphysik die Entwicklung und die Geschichte der Schwarzen Löcher bestimmen, eröffnet die weitere Beschäftigung mit diesen Objekte mittelbar Erkenntnisse, die vielleicht sogar den Schlüssel zum Verständnis des Universums liefern können.
Das Buch von Brian Cox und Jeff Forshaw ist 2022 unter dem Titel „Black Holes“ bei Harper Collins Publishers Ltd erschienen.
Die deutsche Übersetzung „Schwarze Löcher“ erschien 2024 beim Franckh-Kosmos Verlags GmbH&Co KG.
Das Buch umfasst 320 Seiten.
Das Buch ist als Hardcover erhältlich.
Titel: Schwarze Löcher
Autoren: Brian Cox, Jeff Forshaw
Verlag: Franckh-Kosmos Verlags GmbH & Co KG, Pfizerstr. 5 – 7, 70184 Stuttgart
ISBN: 978-3-440-17882-9