Ein schwarzer Punkt vor der aufgehenden Sonne
Am 6. Juni lohnt es sich früh aufzustehen und den Sonnenaufgang zu beobachten: Vor der Sonnenscheibe zieht als kleiner schwarzer Punkt der Planet Venus vorüber. Ein solcher Venus-Transit ist ein seltenes Ereignis, der nächste findet erst am 11. Dezember 2117 statt.
„Wir befinden uns nun am Vorabend des zweiten Durchgangs eines Paares, danach wird es keinen weiteren geben, bevor auf der Erde das 21. Jahrhundert unserer Zeitrechnung angebrochen ist … Gott allein weiß, wie der Stand der Wissenschaft sein wird, wenn der nächste Durchgang stattfindet“, schrieb William Harkness, Astronom am U.S. Naval Observatory, im Jahr 1882. Nur etwa alle 120 Jahre stehen Erde und Venus gerade so auf ihrer Bahn, dass ein Durchgang des inneren Planeten vor der Sonne möglich ist – und dann passiert es zumeist gleich zweimal im Abstand von acht Jahren. Auch der Durchgang am 6. Juni ist der zweite eines Paares, der erste war im Jahr 2004.
Im Gegensatz zu einer Sonnenfinsternis, bei der sich der Mond vor unser Zentralgestirn schiebt, ist ein Venus-Durchgang mit bloßem Auge normalerweise nicht zu bemerken, da der Durchmesser des Planeten gerade einmal drei Prozent des Sonnendurchmessers beträgt. Lange Zeit ahnten deshalb nicht einmal die Himmelsforscher etwas von der Existenz derartiger Ereignisse. Erst im 17. Jahrhundert sagte der deutsche Astronom Johannes Kepler für das Jahr 1631 einen Merkur- und einen Venus-Durchgang voraus. Die ersten Menschen, die die Venus vor der Sonne sahen, waren vermutlich der englische Astronom Jeremiah Horrocks und sein Freund William Crabtree bei dem nachfolgenden Transit am 4. Dezember 1639.
Zu den Venus-Durchgängen von 1761 und 1769, sowie 1874 und 1882 gab es dann umfangreiche Beobachtungskampagnen, nachdem der der königliche britische Hofastronom Edmond Halley eine neue Methode zur Bestimmung der Entfernung Erde-Sonne mithilfe dieser Ereignisse entwickelt hatte. Doch die Ergebnisse der Expeditionen – 1874 gab es nicht weniger als 26 russische, 12 britische, 8 amerikanische, jeweils 6 französische und deutsche, sowie 3 italienische und eine holländische Expedition aus Anlass des Durchgangs – waren letztlich enttäuschend. Den Forschern gelang es nicht, die Eintritts- und Austrittszeiten der Venus vor die Sonnenscheibe mit der nötigen Genauigkeit zu messen.
Auch der kommende Venus-Durchgang wird von Astronomen in aller Welt – und sogar von Satelliten-Observatorien aus – beobachtet werden, obwohl die Entfernung Erde-Sonne inzwischen genau bekannt ist. So wollen Forscher mit dem „Solar Dynamics Observatory“, einen Spezialsatelliten zur Sonnenbeobachtung, während des Transits Informationen über die Atmosphäre der Venus gewinnen. Von Deutschland aus kann nur die letzte Phase des Transits beobachtet werden: Der Durchgang der Venus beginnt bereits kurz nach Mitternacht und endet gegen 6.50 Uhr, etwa anderthalb Stunden nach Sonnenaufgang.
Direkt bei Sonnenaufgang ist die Venus vielleicht sogar mit bloßem Auge als schwarzes Pünktchen vor der Sonne zu erkennen. Ansonsten ist Vorsicht geboten: Niemals ohne Schutzmaßnahme mit Ferngläsern oder Teleskopen direkt in die Sonne schauen – eine Zerstörung der Netzhaut könnte die sofortige Folge sein. Am sichersten ist die Projektion des Sonnenbildes auf eine weiße Fläche. Im Fachhandel gibt es außerdem spezielle Filterfolien, die vor dem Objektiv angebracht werden können und die Sonnenstrahlung ausreichend dämpfen.