Februar 2025 - Der Supernovarest SNR G107.0+9.0

Der Cepheus ist von Mitteleuropa aus gesehen in zenitnahes Sternbild. Es ist vom Frühsommer bis in den Winter gut zu beobachten. Und so stellt uns heute Fachgruppenmitglied Hans Jürgen Mayer ein Deep-Sky-Objekt aus dem Cepheus vor, welches wohl den meisten Lesern neu sein dürfte. Es geht um den Supernovarest SNR G107.0+9.0 - ein sehr lichtschwaches Objekt.
Die Aufnahme datiert vom September/Oktober 2023, entstanden in Fuente de Albarico (Spanien). Zwei Aufnahmeteleskope wurden parallel eingesetzt: a) ein 72-mm-Apochromat, Brennweite 430 mm, b) eine "Russentonne" f/5,6 von 500 mm Brennweite. Dazu wurden zwei DSLR-Kameras verwendet, eine Canon EOS1100Da mono und eine Canon EOS1300Da. Belichtet wurde 24 h für die Farbaufnahmen und 65 h für H-alpha, beides bei ISO 800. Die Bildbearbeitung geschah mit Theli, Photoshop4, PixInsight, Imagesplus, Starnet und noiseXterminator. Dazu schreibt der Bildautor: "Ein eher selten fotografiertes Objekt, von welchem ich nur drei weitere Aufnahmen im Internet finden konnte. Ich bin per Zufall darauf gekommen, als ich in einer meiner älteren Weitwinkelaufnahmen aus der Umgebung von Sh2-140 auf ein gerade noch zu erkennendes H-alpha-Filament aufmerksam wurde. Daraufhin habe ich im Katalog für galaktische SNRs nachgeschaut und siehe da, bin fündig geworden mit G107.0+9.0. Dazu habe ich dann ein paper gefunden: A. Fesen et al: G107.0+9.0: A New Large Optically Bright, Radio and X-Ray Faint Galactic Supernova Remnant in Cepheus." Das war in der Zeitschrift Mon. Not. R. Astron. Soc. 498, 5194-5206 (2020).
Und zu den Kameras setzt Hans Jürgen noch hinzu: “Die relativ lange Belichtungszeit von 65 h für H-alpha muss relativiert gesehen werden, da als Aufnahmekamera keine echte Mono-Astrokamera zur Verfügung stand. Verwendet wurde eine Canon EOS1100D mit abgeschliffener Bayermatrix und parallel dazu noch eine astromodifizierte Farbkamera Canon EOS1300D. Das war eigentlich nichts für schwache H-alpha-Quellen. Und auch die Optiken sind nicht gerade die schnellsten. Dennoch finde ich das Ergebnis ganz passabel.”
Es ist gar nicht so einfach, das Bildfeld der aktuellen AdM-Aufnahme am digitalen Himmel (z.B. Himmelsatlas Aladin) einzuordnen. Im hier gezeigten Teil des Cepheus liegen keine markanten Strukturen vor, auch keine helleren Sterne mit auffälligen Sternengruppen. Die nebulösen Bereiche sind in Aladin wegen ihrer Lichtschwäche nicht bzw. kaum sichtbar. Daher erst einmal kurz einige Hinweise zur Orientierung. Das Bildfeld misst 144' x 98', Norden liegt oben, Osten links. Und jetzt bitte das Zusatzbild 1 zur Hand nehmen. Rechts in Richtung oberer Bildecke leuchtet diffus ein guter Anhaltspunkt: der Reflexionsnebel NGC 7129 mit enthaltenen Dunkelwolken. Von NGC 7129 ca. 14' nach Südosten befindet sich vor rot leuchtenden Nebelpartien der offene Sternhaufen NGC 7142. Von da aus zum Westrand des Bildes liegt eine kleine, markante Sternengruppe, die jedoch keinerlei Katalogbezeichnung besitzt. Zoomt man stark ins Bild hinein, so zeigt sich in dieser Gruppe ein kräftig oranger kleiner Stern, Bei ihm handelt es sich um einen kühlen Kohlenstoffstern (engl. carbon star). Solche Sterne sind recht alt. Sie zeigen in ihrem Entwicklungsstadium Auswürfe von Kohlenstoff. In entgegengesetzter Richtung - nahe am östlichen Bildrand, etwas oberhalb der linken unteren Bildecke - finden wir den 6,9 mag hellen, gelborangen K5-Stern HD 209317.
Vom oberen Bildrand Mitte bis etwa zur linken unteren Ecke erstreckt sich ein bogenförmiges Band aus rot leuchtenden Nebelfilamenten. Dieses Band stellt den Südwestteil des SNR G107.0+9.0 dar, den hellsten Abschnitt von SNR G107.0+9.0. Der Mittelpunkt des rundlichen Supernovarestes (was wir in diesem Himmelsausschnitt nicht sehen können) liegt knapp oberhalb der äußerst linken Bildecke. Unten links im Bereich des Sterns HD 208682 und direkt südlich davon liegen zwei besonders ausgeprägte rote Filamente. Und jetzt mein persönlicher Eindruck (P.R.): Knapp rechts, direkt parallel zum bogenförmigen Band wirkt der Himmelshintergrund auf mich etwas dunkler, sozusagen wie ein dunkleres Parallelband. Hat hier vielleicht der nach Südwesten expandierende Supernovarest staubförmige Materie vor sich hergeschoben? Ein Zufall?
Von HD 208682 aus etwa 16' nach Südwesten in Richtung des Sterns HD 208141 erkennt man einen Reflexionsnebel. Sein Zentrum befindet sich bei dem kleinen blauen Sternchen, siehe Pfeil. Der Nebel trägt die Bezeichnung GN 21.51.2 und ist weißlich-gräulich einem rot leuchtenden Nebel überlagert, der aus der linken unteren Bildecke heraus ins Bild ragt. Dieser auffällig rot leuchtende Nebel ist der Nordrand der HII-Region Sh2-137. Sie ist auch als LBN 498 katalogisiert.
Jetzt Näheres zum Supernovarest G 107.0+9.0. Wer hat ihn eigentlich entdeckt? Das war im Jahre 2013, als die chinesischen Astronomen H.B. Yuan und X.W. Liu ihre erfolgreiche Suche nach extrem lichtschwachen Planetarischen Nebeln publizierten: "Hunting for extremely faint planetary nebulae in the SDSS spectroscopic database", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 436, 718-739 (11/2013). Sozusagen "auf Tuchfühlung" mit dem PN-Kandidaten G108.9+10.7 zeigte sich in einer sehr tiefen H-alpha-Aufnahme (nach Korrektur des Kontinuums) ein runder, filamentförmig strukturierter Nebel. Aufgrund dessen vermuteten die beiden Astronomen einen Supernovarest und nannten vorsichtig mit Fragezeichen seine neue Katalognummer SNR? G107.1+9.0 (d.h. 107,1° galaktischer Länge und 9° galaktischer Breite. Dies ist bis heute geblieben.
Eine Angabe zur Entfernung findet man in dem oben bereits von Hans Jürgen genannten Artikel von A. Fesen et al. (2020). Darin werden 1.75 ± 0.25 Kiloparsec als kinematische Distanz genannt, also rund 5700 Lichtjahre. Der scheinbare Durchmesser von etwa 3° bedeutet einen wahren Durchmesser von 75 bis 100 pc (= 245 bis 326 Lichtjahre). Das ist riesig! Das Alter wird auf 90.000 bis 110.000 Jahre geschätzt.
Anmerkungen: Ein höchst interessantes Ergebnis, gewonnen mit relativ einfacher, aber bewährter Ausstattung. Es wurde recht lange belichtet, so dass der Südwestteil des Supernovarestes gut aufgelöst abgebildet werden konnte. Für den gesamten von Südosten über Osten noch weit nach Nordosten ragenden Komplex wird ein wesentlich weitwinkeligeres Bildfeld gebraucht, siehe Zusatzbild 2. Vielleicht hat Hans Jürgen noch einmal den Wunsch nach einer solchen Aufnahme ...
Einen herzlichen Dank dem Bildautor, dazu die Gratulation unseres Teams zum Astrofoto des Monats Februar 2025.
Peter Riepe
Bildautor: Hans Jürgen Mayer
Koordinaten von SNR G107.0+9.0 (J2000):
RA = 22 h 00 min 25 s, DEC = +66° 26' 00''
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