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September 2024 - Die Umgebung des Irisnebels NGC 7023

| Astrofoto des Monats

Das Sternbild Cepheus ist reich an Dunkelwolken und lichtschwachen Reflexionsnebeln. Gerade in der Umgebung des Reflexionsnebels NGC 7023 wird diese Häufung der interstellaren Materie besonders deutlich. Markus Meel schickte diese weitwinkelige Aufnahme, ein dreifaches Mosaik. Es entstand an einem Hypergraphen von Sharpstar, mit hyperbolischem 150-mm-Spiegel und zusätzlichem Korrektor bei f = 420 mm. Die Aufnahmeserie entstand am 10.08.2023 in Kronau, das liegt im Oberrheingraben in Baden-Württemberg zwischen Heidelberg und Karlsruhe. Kamera war eine gekühlte Canon 6Dac. Mit Einzelbelichtungen von jeweils 2 min Dauer wurde jedes Panel 6,5 h bei ISO 400 belichtet, insgesamt also 19,5 h. Zur Bildbearbeitung wurde PixInsight verwendet.

Das Bildfeld misst 7° 49' x 4° 13', ein wirklich weitwinkeliges Feld. Norden liegt für die Bildmitte auf 11 Uhr. Was zeigt diese Aufnahme? Wir blicken auf einen Teil des so genannten "Cepheus Flare". Diese Region wurde in den letzten 50 Jahren gut erforscht, weil die große Menge an interstellarer Materie eine verbreitete Sternentstehung nahelegt hat. Ich habe drei Felder herausgepickt, die nun ein wenig näher betrachtet werden. Zunächst das zentrale Motiv: NGC 7023 in der näheren Umgebung (Zusatzbild 1). Man sieht sofort, dass der Irisnebel nur der hellste Teil einer großen Wolke aus Staub im Cepheus Flare ist. Molekulare Anteile sind in dieser Wolke zwar reichlich vorhanden, aber man sieht sie im optischen Licht nicht - Gas ist durchsichtig. Der Irisnebel wird von innen her blau erleuchtet. Ursache dafür ist HD 200775, ein junger Herbig Ae/Be-Stern von 7,42 mag (V). Wäre hier ein O-Stern mit wesentlich höherer Oberflächentemperatur entstanden, so könnte das vorhandene Gas angeregt werden und primär im roten H-alpha-Licht leuchten (Astronomie.de kann immer noch keine griechischen Buchstaben). Die zahlreichen Dunkelwolken im gesamten Irisnebelkomplex sind mit gelber Schrift eingetragen. Eine dunkle Stelle ist das nierenförmige Loch direkt westlich von HD 200775. Darin blickt man eindeutig auf die Sterne hinter NGC 7023.

Zu erwähnen ist im Irisnebelkomplex ein kleiner Reflexionsnebel mit der Neckel´schen Katalognummer GN 21.02.4.02. Er wird durch den im AdM gut sichtbaren, 15,88 mag hellen, gelben jungen Stern IRAS 21023+6754 erhellt. Da für diesen Stern eine Gaia-Parallaxe gemessen wurde, lässt sich dann auch sowohl die Entfernung des Iras-Sterns als auch von NGC 7023 und seiner umgebenden Molekülwolke unmittelbar angeben: 335 pc (~1090 Lj). Ein interessantes Langzeitprojekt wäre es, einmal mit längeren Brennweiten über längere Zeiträume auf GN 21.02.4.02 zu halten, um eventuelle zeitliche Änderungen der Nebelform nachzuweisen. In der Literatur fand ich dazu bisher keine Arbeiten.

Östlich im Zusatzbild ist ein auffallend heller, rötlicher Stern mit scharfen konzentrischen Ringen zu sehen. Filter als mögliche Interferenzursache wurden nicht benutzt. Diese Ringe stammen wahrscheinlich von Beugungseffekten am der Teleskopöffnung. Allerdings sind im restlichen Bildfeld keine solchen Erscheinungen an anderen helleren Sternen zu sehen, insbesondere nicht an Beta Cephei, dem hellsten Stern links im Gesamtmosaik. Was hat es nun mit diesem Stern auf sich? Der Name T Cephei sagt es schon: Es handelt sich um einen Veränderlichen. Der Stern gehört jedoch nicht zur interstellaren Wolke. Die Gaia-Parallaxe ergibt 184 pc Distanz, d.h. mit 600 Lichtjahren Entfernung steht T Cephei weit im Vordergrund. Er gehört zu den langperiodischen Mira-Sternen. Seine Helligkeit wechselt periodisch zwischen 6 bis 10 mag innerhalb von 388 Tagen. Dabei ändert sich auch der rote Spektraltyp von M5.5 nach M8.8 (J.E. Isles & D.R.B. Saw, 1989). T Cep ist alt, er gehört dem so genannten "asymptotischen Riesenast" an (O.J. Eggen, 1992). Diese Sterne fusionieren Helium zu schwereren Elementen. Daher befinden sie sich in ihrem letzten Lebensabschnitt, sie werfen auch viel Staub nach außen. Sehr schön zeigt das Zusatzbild 2, dass T Cephei zum Aufnahmezeitpunkt nahe dem Helligkeitsmaximum gewesen sein muss, das wird aus dem Vergleich mit den beiden benachbarten Sternen erkennbar. Es scheint sogar, als sei T Cephei im Bild etwas heller als 6 mag (wenngleich sich ein roter M-Typ schlecht mit blauen A-Typen vergleichen lässt). 

Wechsel zum Zusatzbild 3. Ganz links befindet sich die Dunkelwolke LDN 1171. Ja - auch der helle Nebelanteil ist (!!!) die Dunkelwolke. Sie kommt eben bei dermaßen langen Belichtungszeiten als heller Nebel zur Geltung, erleuchtet vom Licht der umliegenden Sterne. Der Dunkelwolkeneffekt ist auf kurzbelichteteen Aufnahmen sofort erkennbar, dort registriert man dann auch eine verminderte Dichte an Sternen im Vergleich zum weiteren Umfeld. Düster ist allein der Kern (core) der Dunkelwolke.

Als markantes Objekt sticht der große ovale Ring aus wechselnd aneinander gereihten Reflexionsnebeln und Dunkelwolken ins Auge. Er misst hier im Bild bis in die äußeren Partien rund 80' x 52'. Allerdings weitet sich diese seltsame Anordnung nach Westen hin in weiteren Nebel-Tentakeln aus. Welche Dunkelwolken in diesem ovalen Ring vorliegen, ist im Zusatzbild mit gelber Schrift markiert. Die Nebel, welche die Dunkelwolken als Kette verbinden, tragen keine Bezeichnungen, selbst nicht die helleren am mittleren Südrand. Sie sind als bräunlich beleuchteter Teil der Dunkelwolkenkette viel zu lichtschwach, als dass sie in irgendwelchen alten Katalogen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts auftauchen.

Auf ein winziges Bilddetail sei aber unbedingt hingewiesen: An der Ostspitze des ovalen Ringes sitzt ein kleines Nebelchen, das Berühmtheit erlangt hat. Das ist GN 20.45.4 alias GM 1-29. Er wurde bekannt als Gyulbudaghians Nebel (engl.: Gyulbudaghian's Nebula). In der Fachliteratur stößt man unweigerlich auf diese Publikation: Giulbudagian A.L., Magakian T.Iu. (1977): "New red objects resembling Herbig-Haro objects", Doklady - Akad. Nauk Arm. SSR, Vol. 64, p. 104-107. Die beiden armenischen Astronomen konnten im Palomar Observatory Sky Survey (POSS) zahlreiche solcher Objekte identifizieren. Es gibt also nicht nur "den" Gyulbudaghian's Nebula, sondern eine Vielzahl solcher "GM"-Nebel. Der mit der Katalognummer GM 1-29 ist aber offenbar als der bekannteste durchgegangen. Für GM 1-29 ist seine zeitliche Veränderlichkeit typisch. Typisch, weil solche Nebel überwiegend am Rand von Dunkelwolken sitzen. Und die Dynamik der interstellaren Materie schafft dann veränderliche Beleuchtungssituationen.

Das dritte Feld, das hier vorzustellen ist, ist die bereits bekannte Region um den Ghost Nebula. Dieser Reflexionsnebel wurde nämlich ausführlich im AdW 13/2022 vorgestellt. Wer also mehr über das Gebiet des Ghost Nebula erfahren möchte, klicke hier.

Anmerkungen: Zu seiner Ausgangssituation schreibt Markus Meel: "Lange lagen die Bilder auf der Festplattte, da ich schon beim Bearbeiten des ersten Bildes gesehen habe, dass die Bearbeitung schwierig werden wird. Mein Standort in der Rheinebene ist da leider nicht förderlich. Es ist nicht wirklich dunkel und oft etwas diesig, was man dem Bild auch ansieht. Trotzdem bin ich zufrieden. Das große Feld zeigt viel Staub und Nebel."

Dem ist hinzuzufügen: Die helleren Sterne zeigen deutliche Höfe, die wahrscheinlich durch Dunst hervorgerufen wurden. So kann man den Eindruck von Reflexiosnebeln um diese Sterne bekommen. Davon abgesehen: Das Bild war eine Fleißarbeit, und wir freuen uns über die Zusendung! Herzlichen Dank an Markus Meel und Gratulation zum Astrofoto des Monats September 2024.

 

Peter Riepe
Bildautor: Markus Meel

 

Koordinaten (J2000) von NGC 7023:
RA = 21 h 01 min 36.9 s,  Dec = +68° 09' 48"

 


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