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Impaktgläser, Tektite und Meteorite

von Hans Rodewald, Fleckeby, Mai 2002

Teil 3

Ein letztes Mal möchte ich hier Interessantes über Meteorite, Tektite und Impaktgläser berichten.

Zunehmend wird es schwieriger, extraterrestrisches Material zu bergen; sogar die entlegensten Fundorte werden auf- und abgesucht. Auch ein letztes Reservoir, welches beinahe vor unserer Haustür liegt, die bisher nahezu menschenleere Wüste Sahara, ist nicht mehr das, was sie einmal war. Mühen werden nicht gescheut und mit großem Aufwand ist beinahe der letzte Winkel in Augenschein genommen worden. Außerirdische Materieklumpen fallen bald vollends dem Sammeltrieb zum Opfer. Allerdings sind hier oft Impetus und Verve durch merkantile Überlegungen ersetzt. Ja sogar auf dem Basar Risani-Erfoud in Marokko werden schon Chondrite feilgeboten.

Die Wissenschaftler haben längst einen Wettlauf um die begehrten Steinmeteorite aus der Marsgruppe oder lunarer Herkunft begonnen und die Antarktis per Helicopter bald vollends leergefegt. Wen wundert es dann, wenn auch durch „Sammelhändler" in geländetauglichen Fahrzeugen - natürlich sind u.a. GPS-Geräte dabei - claims abgesteckt und abgegrast werden, um noch die letzten wertvollen Krümel zu bergen.

Es wurde sogar von der Pittsburgh University ein vierrädriger Roboter konzipiert (Nomad), der in der Antarktis erfolgreich herumschnüffelt. Wie ein digitales Trüffelschwein hat der Bursche doch wahrhaftig Meteorite gefunden! Und immer, wenn er gar Marsklumpen findet, grunzt er zufrieden. Ich denke, er wurde von seinen Erbauern besonders motiviert, denn das Interesse nach außerirdischem Material wächst offenbar enorm.

Der große Run auf die kleinen Steinklumpen und eine Meteoriten-Manie haben schon in Nordamerika begonnen. Eine Meldung der dpa New York: Kleinste Klumpen grauer Gesteine gelten gegenwärtig in Amerika mehr als pures Gold. Astronomisch hohe Summen werden in unscheinbare Brocken investiert, solange der Käufer überzeugt ist, sie seien vom Marshimmel gefallen: Für lumpige 98 $ kann man schon so ein Splitterchen mit einem stolzen Gewicht von 0,02 Gramm kaufen! Seit der Landung der Sonde „Pathfinder" auf dem Mars im vergangenen Sommer ist in den USA ein wahres Meteoriten-Fieber ausgebrochen. Lange nach dem Ende des „Gold Rush" suchen Abenteurer mit ihren Metalldetektoren nicht mehr nach Edelmetallen, sondern nach Gestirns-Stücken. Die Suche nach den begehrten Himmelskörpern wird den Sammlern außerirdischen Gesteins inzwischen sehr leicht gemacht. Schon via Fernseh-Bildschirm können sie über den Einkaufs-Kanal „QVC" winzige Partikel von Mars-Meteoriten bestellen und sich zustellen lassen.

Für windige Händler eröffnen sich mit der Mars-Manie somit ganz neue Welten. Sie eröffnen schnell Firmen, um sich durch das Mars-Fieber die Taschen mit Barem füllen zu können. Dem Zeitgeist entsprechend nennen sich die Unternehmen „The Sky is Falling" - der Himmel fällt auf die Erde etc. Die Mars-Partikel werden dort in Portionen von 1/10 Carat(!) verkauft. Nun, da muss man ja mit feinstem Werkzeug sauber spalten...

Bei seriösen Wissenschaftlern löst die Meteoriten-Manie eher Schmunzeln aus. „Es ist interessant, dass Wissenschaft so vermarktet werden kann." sagte Arden Albee, der am California Institute of Technology (Pasadena) eine Meteoriten-Probe der Global-Surveyor-Mission untersucht, der Zeitschrift „This Week". Mit Augenzwinkern schlug Albee vor, doch auch den Nakhla-Meteoriten zu vermarkten, der bei seinem Einschlag 1911 in Ägypten einen Hund tötete: Käufer könnten der Vorstellung bestimmt nicht widerstehen, den einzigen „Marsianer" mit nach Hause zu nehmen, der einen „Erdling" tötete.

Mein Kommentar dazu kann nur lauten: Alles wird bunter und wilder. Die New Wave, die alte Goldgräberstimmung ist wohl wieder da. Auf geht's in die Wüste! Pickel und Spaten schnappen, Rucksack schultern (für die ganz dicken Marsklumpen) und das Wasser in der Eile nicht vergessen. Dann noch die Standard-Ausrüstung wie GPS, extrastarkes Magnetometer, Super Metal Detector etc. (aber nur vom Feinsten) in den Jeep hinein. Das verwöhnte Auto freut sich sicher, nicht immer nur Autobahnasphalt unter den Hufen zu spüren. Und jetzt die Spürnase in den Wind, Blendkappe tief auf die Ohren stülpen. In Schleifen oder Kringeln die Wüste beharken, bis es von oben so aussieht, als wäre ein UFO im Kornfeld gelandet. So kann sicher kaum noch 'was schief gehen. Merke: Die Ausbeute ist proportional der Ausdauer, und letztendlich haben die Kamele dort endlich wieder etwas zum Bestaunen.

Nun zu einem besonderen und einmaligen Vertreter der Impaktgläser, den ich hier vorstellen möchte:

Libysches Wüstenglas

Libysches Wüstenglas (LWG oder LDG nach Libyan Desert Glass) stammt nicht aus Libyen, sondern aus Ägypten, einem Teilgebiet der Sahara, das Libysche Wüste heißt und bei 25°30' E und 25°30' N liegt. Das Gebiet, in dem LDG gefunden wird, ist etwa 50 x 80 km groß und mit Sanddünen bedeckt, die bis zu 150 m hoch und in parallelen Zügen angeordnet sind. Aus der Luft erinnern sie an erstarrte Wellen. Dieser wie unwirklich anmutende, absolut lebensfeindliche Abschnitt der Sahara gehört mit einem Millimeter jährlichem (!) Niederschlag zu den trockensten Gebieten der Erde. LDG ist ein Impakt-Glas entstanden durch Großmeteoriten- oder Asteroiden-Einschlag im Sahara-Wüstensand-Boden. Weltweit einzig bekanntes Vorkommen derartiger Quarzgläser mit ~ 98 % SiO2 im sog. „Großen Sandmeer", Grenzgebiet zu Libyen nahe der Oase Koufra, im N'Giffel Khabir Plateau.

Fundbedingungen:
Das Fundgebiet ist militärischer Sperrbezirk. Man gelangt nur mit Genehmigung der ägyptischen Behörde für Geologie und Bodenschätze und einem offiziellen Begleiter dorthin, aber diese Erlaubnis wird nur äußerst selten erteilt. Kürzlich sind auch noch viele Gräber freigelegt worden - dies lockt Räuber an. Es folgert, dass gute Stücke selten zu bekommen sind. Unwegsames Gebiet, die extreme Trockenheit und wechselnde riesige Sandmengen erschweren zudem eine gezielte Suche nach diesen schönen und seltenen natürlichen Wüstengläsern.

Physikalisch-Chemische Daten:
Als nahe Verwandte der Tektite sind diese Impaktgläser mit Sicherheit beim Impakt von Asteroiden oder Kometenkernen entstanden. Alter ca. 30 Millionen Jahre. Nasschemische und Fission-Track-Analysen ergaben 98 % SiO2 # 0.7 % Al2O3 # 0.5 % Fe2O3 # 0.3 % (Mg,Ca)O # 0.4 % (Na,K)2O # 0.4 % TiO2. Häufig sind mikoskopisch kleine bis zu 4 mm große Gasblasen. Härte nach Mohs: 6-7. Dichte: 2.2 g/cm³. Farbe: Hellgelb, honiggelb, grüngelb mit Varianten von milchig weiß bis schwarzgrau. Es gibt Fundstücke von wenigen Gramm bis zu 25 kg. Einige Stücke sind fest im Untergrund eingebacken, hierbei konnte das Alter der Sahara mit ~ 28-30 Millionen Jahren bestimmt werden. Die Stücke, die vom Wind freigelegt werden, können aber schnell völlig erodiert werden. Sie sind an der Oberfläche durch diesen Wüstensand-Feinschliff natürlich und schön poliert, während der Teil, der im Boden steckt, wie zerfressen wirkt und matt ist.

Diese aus dem Libyschen Wüstenglas, einem Impaktglas entstanden durch Druckschmelze, gefertigten Werkzeuge entstammen dem Aterium und Caspium, beides Technokomplexe, die zeitgleich dem europäischen Spätpaläolithikum sind. Der Fundbereich liegt im ägyptischen Teil der libyschen Wüste, im sogenannten „Großen Sandmeer" östlich der Oase Koufra im N'Giffel Khabir Plateau.

Selten finden sich auch Artefakte aus LWG; durch Verschleppung von Menschenhand ist das Fundgebiet oft nicht genauer zu lokalisieren.

Ähnlich den „Tränen der Haremsdamen", tropfenförmige, etwa nur maiskorngroße weißliche Gläser mit Fe-Einschlüssen, die im Bereich des Wabar-Kraters in Saudiarabien gefunden werden, gab und gibt es auch beim libyschen Wüstenglas Differenzen über die Genese. Vor allem, wenn nicht gleich eine Zuordnung zu einem Einschlagskrater gefunden werden konnte, werden die verschiedensten Theorien zur Entstehung veröffentlicht. In der saudischen Region Rub al Khali ist ein Kraterfeld gefunden; das Projektil war ein Eisenmeteorit (Iron IIIA), der vor ~ 600.000 Jahren einschlug. Das Gebiet wurde kürzlich trotz schwieriger Umstände wie Sandstürme und Extremhitze gut untersucht. Die Einzelkrater sind 5 bis 100 Meter groß, meist schon vollständig, andere teilweise vom Sand zugeschüttet. Gefunden wurden Silikatgläser mit schwärzlichen Einschlüssen von Nickeleisen. Das Gebiet ist extrem heiß, und bald werden alle Spuren dieses Einschlags von Sandstürmen sicherlich wieder vollständig zugeschüttet sein.

Ähnlich ist bei den Ursprungskratern für das LWG: Diese sind viel älter, die Wüste hatte über 29 Jahrmillionen genug Zeit, beinahe alle Spuren zu verwehen oder zu verwischen. Erst wenn es gute und umfassende Luftaufnahmen und anschließende wissenschaftlich gründliche Untersuchungen samt reichlich Aufsammlungen gibt, wird man vielleicht eines Tages mehr über dieses besondere Geheimnis der Wüste erfahren.

Australite

Einiges über die Entstehung der „Knöpfe mit Rändern"Neben den Tektiten im Indochina-Raum gibt es Funde in Java, Billiton und auf den Philippinen, die verschiedenen Einschlägen zugeordnet werden. Doch eine besonders eigenartige Spezies Tektite findet sich in West- und Südost-Australien: Kleine, meist nur 1-2 cm große Gebilde zeugen von einem Aufschlag mit enormer Wucht. Es kommen vor: 60-70 % Spheres, 25 % Ovals, 8 % Dumbbells und 3 % Drops (Apoides). Verschiedene Messungen führten zu einem Alter der Australite zwischen 600 und 800 Tausend Jahren, ein dazugehörender Krater ist noch nicht gefunden worden. Dazu gibt es Untersuchungen über den schematischen Aufbau und Synthese-Versuche durch Chapman et al.

Der Weg, wie sich kleinere Körper von größeren trennen können, ist der Vorgang der Ablation mit gleichzeitiger Ausdehnung und Zusammenziehung der Stress-Schale. Bei kleineren Körpern verbleibt so unter günstigen Umständen ein „Knopf mit Rändern", während größere Gebilde instabil werden und platzen. Diese Teilstücke erleiden wiederum eine weitere aerodynamische Formgebung bei ihrem sehr schnellen Flug durch die irdische Atmosphäre. Es bildeten sich auch Hohlkugeln, die sich wieder in Teilstücke der Kugelschale zerlegten. Erst die weitgehende Bremsung der Lufthülle machte diesem Spiel ein Ende. Hier gibt es Analogien zum Fall von Steinmeteoriten, auch die bekannten Bremsvorgänge bei einem aus dem All zurückkehrenden Space Shuttle (Hitzekacheln) sind mit einzubeziehen.

Marsianer und lunare Gruppe

Das älteste Fragment eines Meteoriten ist genau 4.568,3 ± 0.7 Millionen Jahre alt und bestimmt das Alter unseres Sonnensystems. Mineralogische, chemische und isotopische Untersuchungen von Meteoriten geben Aufschluss über die Bildung der Körper des Sonnensystems - den Planeten mit ihren Monden, Asteroiden und Kometen - aus der präsolaren Gas- und Staubwolke. Am Anfang standen Kondensations- und Schmelzvorgänge, die zur Bildung fester makroskopischer Körper, u.a. der Chondren, führten. Trotzdem sind noch intakte präsolare Staubkörnchen (stardust) in Meteoriten zu finden, die Aufschluss über kernsynthetische Prozesse in Sternen lange vor der Existenz des Sonnensystems geben. Es folgte die Akkretion zu primitiven Kleinplaneten und die weitere Entwicklung dieser Körper, die durch Zusammenstöße und thermische sowie hydrothermale Metamorphosen geprägt waren. Wegen der raschen Abkühlung kleiner Körper waren meist die metamorphen Prozesse bereits vor ca. 4.200 Millionen Jahren abgeschlossen, während Zusammenstöße, die uns ja die Meteorite liefern, bis heute andauern.

Ab und zu gibt die Natur eines ihrer Geheimnisse preis. Aber auch nur dann, wenn Wissenschaftler und Sammler sich intensivst darum bemühen, Fakten in das Dunkel der Deutungen zu bringen, kommt etwas Licht dazu. Denn auch heute ist das wissenschaftliche Interesse an den Meteoriten nicht im Geringsten geschwunden, es steigt eher lawinenartig an. Mit den Erkenntnissen der modernen Weltraumforschung und durch die aufgefundenen Meteorite haben wir einen Grundstock des Wissens über außerirdische Materie gelegt.

Auf die Faust'sche Frage, was denn die Welt im Innersten zusammenhält, mag es viele philosophische Antworten geben, doch auch eine ganz pragmatische. Physiker stellen uns ihren Teilchenzoo vor; den muss man erst mal überblicken können. Die Astrophysiker und Kosmologen entwickeln immer neue Denkmodelle. Für die Erkundung weiter entfernt gelegener Objektive benutzen wir leistungsstarke Geräte in optimaler Position. Teleskope à la Space-Hubble oder die Very-Large-Telescope-Version in den Anden sind eher kostenintensiv, ein Amateur braucht schon viel Idealismus und Ausdauer, um irgendwie mithalten zu können.

Doch die Frage, was die Welt im Inneren und Äußeren zusammenhält, kann nur so, eben durch das Zusammenspiel vieler Kräfte irgendwann einmal besser beantwortet werden. Heute sind Meteorite nach wie vor die einzigen handfesten und sicherlich wertneutralen Zeugen der Bildung unseres Sonnensystems. Noch lassen sie sich auf Erden finden.